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29. März 2024

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Weniger Budgetdefizit trotz wirtschaftlicher Eintrübung

Weniger Budgetdefizit trotz wirtschaftlicher Eintrübung© Pexels.com/pixabay

Fiskalrat errechnet Rückgang des Budgetdefizits auf 2 Prozent des BIP im Jahr 2023 und das trotz angespannter Wirtschaftssituation. Robuster Arbeitsmarkt und nomineller privater Konsum sowie Wegfall Corona-Stützen und neue Energiekrisenbeiträge Hauptgründe.

(red/czaak) Der Fiskalrat errechnet in seiner aktuellen Prognose trotz der erwarteten wirtschaftlichen Eintrübung einen Rückgang des Budgetdefizits von exakt 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP; 2022) auf 2 Prozent des BIP im Jahr 2023. Ausschlaggebend dafür sind die robuste Entwicklung des Arbeitsmarktes und des (nominellen) privaten Konsums, der Wegfall von temporären wirtschaftspolitischen Maßnahmen (u. a. Corona- Maßnahmen oder strategische Gasreserve) und die vorübergehende Einhebung der Energiekrisenbeiträge von Energieunternehmen.

„Die strukturell wirkenden Indexierungen des Einkommensteuergesetzes und der Familien- und Studienbeihilfe sowie einsetzende Maßnahmen der ökosozialen Steuerreform schwächen diese Verbesserung deutlich ab“, erläutert Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates. In den Folgejahren soll die Dynamik der Staatsausgaben für soziale Sachleistungen, Landesverteidigung und Zinsendienst die Entwicklung des Finanzierungssaldos bestimmen, der auch mittelfristig deutlich negativ bleibt, so der Fiskalrat.

Nach Corona-Stützungen nun Anti-Teuerungsmaßnahmen als fortgesetzte Budgetbelastung
Trotz dieser ausgeprägt expansiven Ausrichtung der Budgetpolitik über den gesamten Prognosehorizont geht die Schuldenquote – ungeachtet der Erhöhung der Staatsschulden – kontinuierlich zurück (2021: 82,3 Prozent; 2026: 73,2 Prozent des BIP). Diese Entwicklung sei aber mit Vorsicht zu interpretieren, „da die sich verbessernde fiskalische Situation ausschließlich auf das inflationsbedingt hohe nominelle Wirtschaftswachstum zurückzuführen ist“, so die Experten des Fiskalrats.

Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie sind zwar rückläufig, aber mit einem Volumen von 8 Mrd. Euro im Jahr 2022 weiterhin deutlich budgetwirksam. Zudem wurden etliche Maßnahmen zur Abfederung der außergewöhnlich hohen Preisdynamik sowie zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei fossilen Brennstoffen gesetzt. Diese schlagen 2022 gemeinsam mit der ökosozialen Steuerreform und anderer Beschlüsse mit weiteren 24 Mrd. Euro zu Buche, sodass insgesamt das bereits sehr hohe Volumen wirtschaftspolitischer Interventionen des Vorjahres (2021: 30,6 Mrd. Euro) noch um 1,5 Mrd. Euro übertroffen wird.

Hohe Inflation prägt Einnahmenwachstum und Ausgabendynamik
Trotz einsetzender konjunktureller Abkühlung ab Mitte 2022 bleibt der Zuwachs der Staatseinnahmen (+9 Prozent) hoch. Die hohe Inflation, höhere Lohnabschlüsse, der solide private Konsum und die stabile Beschäftigung sollen auch 2023 zu einem hohen Einnahmenwachstum (+7,3 Prozent) führen, das zudem vorübergehende Mehreinnahmen durch die Energiekrisenbeiträge widerspiegelt. Allerdings gibt es ab 2023 auch einnahmenreduzierende Maßnahmen, etwa die zweite Ausbaustufe der ökosozialen Steuerreform oder die Inflationsindexierung des Einkommensteuergesetzes. Nach Auslaufen bzw. Rückgang temporärer Maßnahmen im Jahr 2024 wie Anti-Teuerung oder Corona sollen sich die Staatseinnahmen annähernd im Gleichklang mit dem nominellen BIP entwickeln, so der Fiskalrat.

Aufgrund der weitgehenden Neutralisierung der budgetären Wirkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen auf der Ausgabenseite wird das Ausgabenwachstum 2022 (+3,8 Prozent im Jahresabstand) vorrangig durch automatische Indexierungen von Sozialleistungen wie Pensionsausgaben oder Pflegegeld und Lohnerhöhungen der öffentlich Bediensteten bestimmt. Während sich hier die hohe Inflation aber erst zeitverzögert niederschlägt, führt der starke Anstieg der Inflation 2022 v. a. im Fall der Vorleistungen (+1,3 Mrd. Euro) bereits im gleichen Jahr zu deutlichen Ausgabenerhöhungen.

Erfüllung der Maastricht-Kriterien ab 2023 und inflationsbedingt hohes nominelles BIP-Wachstum
Im Jahr 2023 soll sich die hohe Inflation schließlich auch auf bedeutende Ausgabenkategorien wie Pensionen und Arbeitnehmerentgelte übertragen, sodass die Staatsausgaben im Jahr 2023 – trotz des Ausgabenrückgangs aufgrund des Auslaufens temporärer Maßnahmen bei Corona und Teuerung – um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. Mittelfristig geht das Ausgabenwachstum wieder zurück, bleibt aber in Einzelbereichen (z. B. soziale Sachleistungen, im Speziellen für Gesundheit und Pflege sowie Bruttoinvestitionen) erhöht.

Nach einer Überschreitung der Defizitobergrenze von 3 Prozent des BIP im Jahr 2022 werden ab dem Jahr 2023 nach der aktuellen Prognose des Fiskalrats und unter Zugrundelegung der sogenannten No-policy-change-Annahme beide Maastricht-Kriterien (Defizitobergrenze von 3 Prozent des BIP und rasche Rückführung der Staatsschuldenquote) erfüllt. Im Kontext mit den aktuellen Krisensituationen ist davon auszugehen, dass die EU-Kommission ihre bisherige Vorgangsweise beibehält, kein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits (Anm. ÜD-Verfahren) einzuleiten.

Fiskalpolitische Spielräume und nachhaltige Absicherung durch Strukturreformen
„Zur Wiedererlangung fiskalpolitischer Spielräume ist die konjunkturgerechte Rückführung der expansiven Fiskalpolitik und eine planmäßige Rückführung temporärer Unterstützungsleistungen unerlässlich“, unterstreicht Christoph Badelt. Es brauche ein Gesamt- konzept für die langfristige Stabilisierung der öffentlichen Finanzen einschließlich Gegenfinanzierung von Krisenmaßnahmen.

„Investitionen in Zukunftsbereiche wie Digitalisierung und Ökologie, zielgerichtete Bildungs- und Qualifizierungsoffensiven sowie strukturelle Reformen, insbesondere zur gebietskörperschaftlichen Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung, spielen zur langfristigen Absicherung der fiskalischen Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle und sollten forciert werden“, betont Badelt. Die anstehenden Verhandlungen zum Finanzausgleich 2024 sollen genutzt werden, um v. a. innerstaatliche Finanzierungsströme und gebietskörperschaftsübergreifende Aufgaben zu entflechten.

Prozess zur Reform des EU-Fiskalrahmens
Ein weiterer maßgeblicher Punkt ist die Aufgabenorientierung zu stärken und eine gesamtstaatliche Förderungsstrategie zu entwickeln. Letztere sei erforderlich, um unbeabsichtigte Mehrfachförderungen und gegenläufige Anreizwirkungen von Maßnahmen zu vermeiden. Zudem ist eine stärkere Ausschöpfung des Potenzials ressort- und gebietskörperschaftsübergreifender Koordination und der Mechanismen zur Erhöhung von Transparenz, Effektivität und Wirkungsorientierung der Haushaltsführung anzustreben.
Die österreichische Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass der Prozess zur Reform des EU-Fiskalrahmens rasch abgeschlossen wird. Wenngleich die stärkere Rolle der Ausgabenregel gemäß EK-Vorschlag aufgrund ihrer mittelfristigen Ausrichtung und höheren Steuerungsrelevanz vom Fiskalrat begrüßt wird, sollte der strukturelle Budgetsaldo als wichtige budgetpolitische Orientierungs- und Analysegröße eines konjunkturgerechten Fiskalrahmens erhalten bleiben. Zudem sollte die Mitwirkung der nationalen Fiskalräte v. a. bei der Ex-ante- und Ex-post-Betrachtung zukünftiger Fiskalstrukturpläne sichergestellt werden.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 12.12.2022