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26. April 2024

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Eco-Verband zweifelt an Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung

Eco-Verband zweifelt an Kompromiss zur VorratsdatenspeicherungBilderbox.com

Die neuen Leitlinien deutscher Ministerien versuchen Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit. Laut eco-Deutschland bleiben zentrale technische und rechtliche Fragen unbeantwortet und die Unsicherheit zu Lasten der Unternehmen bestehen.

Umstrittene Vorratsdatenspeicherung
Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung soll kommen: Das deutsche Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium haben sich auf einen entsprechenden Vorschlag geeinigt. Unter der neuen Nomenklatur „Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten“ wird der schwierige Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit versucht.
Eco, der Verband der deutschen Internetwirtschaft lehnt den Vorschlag aus mehreren Gründen ab. „Die Leitlinien sind ein fauler Kompromiss. Trotz reduzierten Daten, Speicherfristen und Richtervorbehalt bleibt die Vorratsdatenspeicherung eine anlasslose Überwachung der Kommunikation der Bürger in der digitalen Welt,“ sagt Oliver Süme, Vorstand bei eco. „Sowohl technische als auch rechtliche Fragen bleiben unbeantwortet und die Unsicherheit der Unternehmen geht in die nächste Runde,“ so Süme weiter.

Freiheit versus Sicherheit
„Mit der anlasslosen Speicherung gelingt der Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit nicht. Der Eingriff in die Grundrechte der Bürger und die damit verbundenen Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem bisher nicht belegten Effektivitätsgewinn bei der Strafverfolgung,“ erklärt Süme.
Daran ändern auch kürzere Speicherfristen sowie der Ausschluss von Kommunikationsinhalten und E-Mails nichts,“ ergänzt Süme. Zudem bleibe fraglich, ob der Kompromiss zwischen den Ministerien so auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufrecht erhalten werden kann.

Nebulöse Regelungen
Zusätzlich eröffnen die Leitlinien einen Katalog neuer Fragen, zu den zentralen technischen und rechtlichen Parametern, mit denen die zur Umsetzung verpflichteten Unternehmen alleine gelassen werden. So ist beispielsweise der Umgang mit Berufsgeheimnisträgern laut eco „nebulös geregelt“. Die Verkehrsdaten von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen sollen zwar gespeichert werden, unterliegen aber einem Verwertungsverbot. Wesentliche Rahmenparameter wie etwa Verschlüsslung, Speicherung, Zugangsschutz oder revisionssichere Protokollierung sind nicht ausreichend definiert.
Es wird eine dem „Stand der Technik höchstmögliche Sicherheit“ gefordert. Damit bleibt zweifelhaft ob die Leitlinien den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben von EuGH und Bundesverfassungsgericht genügen. „Bei der Umsetzung der Sicherheitsanforderungen ist der technische und finanzielle Aufwand sowie die Realisierbarkeit der Implementierung derzeit noch nicht absehbar. Hier werden die Unternehmen alleine gelassen. Insbesondere für die kleinen und mittleren Anbieter von TK-Dienstleistungen kann dies einen erheblichen Aufwand bedeuten ,“ kritisiert Süme. „Sollte die Ausgestaltung eines Gesetzes kommen, ist hier eine deutlich schärfere Klarheit gefordert.“

Unsicherheit geht in die nächste Runde
Die durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs aufgeworfenen Fragen beantwortet die Leitlinie indes nicht. Daher bleibt es fraglich, ob der erneute Versuch der Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht wieder durch die Gerichte kassiert wird.
„Die Verfassungsmäßigkeit muss diesmal eindeutig vor der Umsetzung und Implementierung der Vorratsdatenspeicherung geprüft werden,“ fordert Süme. „Gerade vor dem Hintergrund des finanziellen Aufwandes für die Implementierung der Vorratsdatenspeicherung wäre dies für die Unternehmen untragbar. Sonst müssen die Unternehmen erneut Technik zur Vorratsdatenspeicherung aufbauen, die sie anschließend wieder verschrotten können.“
Eine endgültige Bewertung des Vorhabens durch eco wird erst möglich sein, wenn der erste konkrete Gesetzesentwurf vorliegt. Der Verband lehnt aus grundsätzlichen Erwägungen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung – auch eine im Sinne des Leitlinienvorschlages - weiterhin ab.
eco ist laut eigenen Angaben mit mehr als 800 Mitgliedsunternehmen der größte Verband der Internetwirtschaft in Europa. Seit 1995 gestaltet der Verband die Entwicklung des Internets in Deutschland mit, fördert neue Technologien, Infrastrukturen und Märkte, formt Rahmenbedingungen und vertritt die Interessen der Mitglieder gegenüber der Politik und in internationalen Gremien. In den eco Kompetenzgruppen sind alle wichtigen Experten und Entscheidungsträger der Internetwirtschaft vertreten.

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red/czaak, Economy Ausgabe 999999, 20.04.2015