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30. April 2024

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App gegen Hunger

App gegen HungerBilderbox.com

Mit dem Handy könnten in Zukunft Hungerkatastrophen verhindert werden.

Mangelernährung kann unterschiedliche Ursachen haben, und nicht alle sind einfach vorherzusehen. Dürre und Missernten lassen sich oft frühzeitig prognostizieren, indem Wetter und Bodenfeuchte beobachtet werden. Doch andere Risikofaktoren, etwa sozio-ökonomische Probleme oder gewaltsame Konflikte, können die Nahrungsmittelsicherheit ebenso gefährden. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen müssen frühzeitig erfahren, in welchen Regionen sich Probleme abzeichnen. Nur so kann rechtzeitig Hilfe geleistet werden.
Mit einer Datensammel-App am Smartphone und Satellitendaten soll künftig prognostiziert werden, ob eine bestimmte Region von Nahrungsmittelknappheit und Mangelernährung bedroht ist. Ein Forschungsteam der TU Wien und des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg hat eine App entwickelt, die von Satelliten gemessene Wetter- und Bodenfeuchtedaten mit Crowd-Sourcing verknüpft. Durch Befragungen werden sozioökonomische Daten erhoben und die Gefahr von Mangelernährung prognostiziert.
Die neue Methode wurde nun in der Zentralafrikanischen Republik getestet, in einem der gefährdetsten Länder der Welt, das unter chronischer Armut und gewaltsamen Konflikten leidet. Die vielversprechenden Resultate wurden im Fachjournal PLOS ONE publiziert.

Ferndiagnose
Satelliten tasten die Erdoberfläche mit Mikrowellenstrahlen ab. Aus den Ergebnissen kann man dann auf den Wassergehalt des Bodens schließen. Wenn man die Messergebnisse mit der Datenbank vergleicht, wird ersichtlich, wo die Gefahr einer Trockenheit besteht.
„Wir brauchen aber auch Information über andere Faktoren, die einen Einfluss auf das lokale Nahrungsangebot haben“, sagt IIASA-Forscherin Linda See. So können etwa politische Unruhen die Bevölkerung davon abhalten, ihre Felder zu bestellen. Das kann man nicht vom Satelliten aus erkennen.
„Smartphones sind heute sogar in weniger entwickelten Ländern verbreitet. Daher haben wir die App entwickelt“, sagt App-Entwickler Mathias Karner (IIASA). Lokale Unterstützungskräfte wurden einen Tag lang eingeschult und führten anschließend Interviews, die via Handy gespeichert und übermittelt wurden. Die Antworten und die dazugehörigen GPS-Koordinaten wurden gemeinsam mit den satellitenbasierten Daten analysiert. Am Ende wurde eine Landkarte erstellt, die gefährdete Gebiete sichtbar macht. Solche Karten helfen, künftige Aktivitäten der NGOs zu planen.

Ernährungs-Karte
„Manchmal sind unreife Früchte alles, was die Leute zu essen haben, manchmal essen sie das Saatgut, das sie eigentlich für das nächste Jahr aufbewahrt hatten. Manchmal müssen sie Vieh verkaufen, dann fehlt wertvolle Milch, was die Gefahr von Ernährungsproblemen noch verschärft. Solche Verhaltensweisen können schon Monate vor einer großen Krise ein Indikator für Probleme sein“, sagt Candela Lanusse, Ernährungsberaterin von Ärzte ohne Grenzen.
Die politische Situation in der Zentralafrikanischen Republik ist kompliziert. „Doch selbst unter diesen Bedingungen hat unsere Technologie funktioniert. Die App hat das Potenzial, ein wirkungsvolles Frühwarnsystem zu werden“, sagt Markus Enenkel vom Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 30.11.2015