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27. April 2024

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Tanzendes Wasser

Tanzendes WasserPiqs.de/hans dekker

Die TU Wien geht bei der Materialforschung neue Wege.

Perowskite sind Materialien, die in Batterien, in Brennstoffzellen oder auch in elektronischen Bauteilen verwendet werden. Obwohl sie technologisch so wichtig sind, weiß man über das chemische Verhalten ihrer Oberfläche bis heute sehr wenig. Dem Team von Prof. Ulrike Diebold (Institut für Angewandte Physik, TU Wien) gelang es nun eine alte Frage zu klären: Wie verhalten sich Wassermoleküle, die sich auf den Perowskit-Oberflächen anlagern? Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Nature Materials“ veröffentlicht.
„Wir studierten Strontium-Ruthenat, einen ganz typischen Vertreter aus der Materialklasse der Perowskite“, sagt Ulrike Diebold. Es handelt sich um eine Kristallstruktur aus Sauerstoff, Strontium und Ruthenium. Wassermoleküle, die auf diese Oberfläche auftreffen, werden in zwei Teile zerlegt: Eines der Wasserstoffatome wird dem Molekül entrissen und von einem Sauerstoffatom der Kristalloberfläche festgehalten. Übrig bleibt eine OH-Gruppe, die durch eine sogenannte Wasserstoff-Brückenbindung an das entrissene Wasserstoffatom gebunden bleibt.

Entscheidende Veränderung in Oberflächenforschung
Diese Bindung ist die Ursache für einen merkwürdigen Effekt: Die OH-Gruppe kann sich nicht frei bewegen. Sie hüpft rund um das Wasserstoffatom herum, von Atom zu Atom, wie ein Tänzer, der mit einem Bein immer am selben Ort bleiben muss. Wenn man die Kristalloberfläche über längere Zeit immer wieder abbildet, kann man den Tanz der Atome auf der Oberfläche tatsächlich mitfilmen.
„Aufgrund von theoretischen Berechnungen wurde dieser Effekt schon vor einigen Jahren vorhergesagt, wir sind nun die ersten, die das experimentell bestätigen konnten“, sagt Ulrike Diebold. Sie und ihr Team verfügen über langjährige Erfahrung im Abbilden atomarer Prozesse mit Rastertunnelmikroskopen.
Die neuen Methoden, die vom Forschungsteam an der TU Wien entwickelt und angewandt werden, haben die Oberflächenforschung entscheidend verändert. War man früher auf indirekte Messungen angewiesen, kann man heute – mit dem nötigen Know-How – das Verhalten der einzelnen Atome auf der Oberfläche direkt abbilden und beobachten. Für die moderne Materialforschung eröffnet das ganz neue Möglichkeiten, beispielsweise für die Entwicklung und Verbesserung von Katalysatoren.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 12.01.2016