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27. April 2024

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Keine Spinnerei

Keine SpinnereiDie „Spindoktoren“ Selberherr und Sverdlov der TU Wien. (c) TU-Wien

Die Computerchips der Zukunft verarbeiten Information auf andere Art – mit dem Spin der Elektronen.

Die Datenverarbeitung in aktuellen Mikroprozessoren basiert darauf, dass elektrische Ladungen von einem Ort zu einem anderen transportiert werden. Elektronen haben aber neben ihrer Ladung noch eine zweite fundamentale Eigenschaft, den Elektronenspin. Nun soll dieser Eigendrehimpuls für die Computertechnologie nutzbar gemacht werden. Das Ergebnis wären Geräte, die deutlich weniger Energie benötigen. Grundstoff ist – wie in der herkömmlichen Halbleitertechnik – Silizium. Die spin-basierte Elektronik nennt sich Spintronik.
Ein Forschungsteam rund um Siegfried Selberherr simuliert auf der TU Wien nanoelektronische Effekte am Computer und konnte bereits mehrere neue Halbleiter-Bauteile zum Patent angemelden. Entscheidende Fragen sind mittlerweile geklärt, dass sich Spintronik durchsetzen wird, steht für Selberherr außer Frage. „Spintronik ist die Technologie der übernächsten Generation“, sagt Selberherr. „In den kommenden Jahren wird man die Mikroelektronik noch auf herkömmliche Weise weiterentwickeln können, doch irgendwann sind die physikalischen Grenzen erreicht und man muss sich etwas Neues einfallen lassen.“

Der Spin mit dem Spin
Eine Problematik der heutigen Elektronik ist, dass man Energie und Zeit benötigt, um die elektrischen Ladungen an die gewünschten Stellen zu transportieren, und dass man laufend Energie aufwenden muss, damit die Ladungen auch dort bleiben. Bis etwa beim Hochfahren eines Handys alle Ladungen wieder dort sitzen, wo sie vorher waren, vergeht einige Zeit. Und daher ist der Akku auch bei geringer Aktivität meist nach zwei Tagen leer.
Wenn man statt der Ladung des Elektrons seinen Eigendrehimpuls verwendet, dann sieht die Sache anders aus. „In der Spintronik ist es gar nicht nötig, die Elektronen selbst zu transportieren“, erklärt Siegfried Selberherr. „Wir können sie an einem festen Ort einsperren und uns darauf beschränken, bloß ihren Spin zu manipulieren.“
Der Spin ist mit dem klassischen Drehimpuls eines Kreisels vergleichbar. Allerdings kennt das Elektron nur zwei verschiedene Spin-Werte – Spin nach oben oder Spin nach unten. Für die Mikroelektronik ist das perfekt: Genau wie man die Zustände 0 und 1 durch ‚Strom‘ oder ‚kein Strom‘ codieren kann, lassen sie sich auch durch die beiden möglichen Spin-Zustände darstellen. Wie Selberherr betont, ist Spintronik keine kühne Zukunftsvision wie etwa der Quantencomputer, sondern der logische nächste Schritt in der Informationstechnologie.

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red/stem, Economy Ausgabe 999999, 11.09.2015