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27. April 2024

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Unglücksfall oder Tötungsdelikt

Unglücksfall oder Tötungsdelikt© pexels/mitja juraja

Um mitunter spannende Fragen des Todes geht es an der Innsbrucker Gerichtsmedizin. Die renommierte Forensikerin Elke Doberentz hat im Vorjahr die Leitung übernommen und bereits bedeutende Forschungserfolge erzielt.

(red/czaak) Seit Juli 2023 steht das renommierte Institut für Gerichtliche Medizin Innsbruck unter einer neuen Leitung. Mit Elke Doberentz hat das Institut eine ausgewiesene Expertin gewonnen, die in ihrem primären Forschungsgebiet der forensischen Medizin neue Schwerpunkt etablieren möchte. Beispielsweise ist ihr gelungen, Biomarker bei Brandopfern und zur Bestimmung des Wundalters zu identifizieren.

Von Vaterschaftstests über die Aufklärung von Todesfällen, die Identifikation von Menschen und Tieren mittels DNA-Analyse und Drogenscreening bis zur epidemiologischen Untersuchung von Abwasser. Das Einsatzgebiet des Instituts für Gerichtliche Medizin Innsbruck (GMI) an der Medizinischen Universität ist breit, die herausragende Expertise seiner MitarbeiterInnen über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Mikromorphologische Marker für die verschiedensten rechtlichen Fragestellungen
„Es freut mich, dass wir mit Elke Doberentz eine hervorragende Rechtsmedizinerin und Wissenschafterin gewinnen konnten, die das große Spektrum der Innsbrucker Gerichtsmedizin mit den etablierten Forschungsschwerpunkten Forensische Genomik und Toxikologie um weitere wichtige forensisch medizinische Aspekte erweitern wird“, sagt Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck.

Doberentz, die zuletzt das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Bonn kommissarisch geführt hat, beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Vitalitätsmarkern von Brandopfern. „Es ist mein Ziel, für die verschiedensten rechtlichen Fragestellungen mikromorphologische Marker zu finden, die unmittelbar in die Routine einfließen können“, skizziert sie.

Der (vermeintliche) Tod in den Flammen
Ist ein Mensch in den Flammen umgekommen, oder war er möglicherweise schon vor Ausbruch des Feuers tot? Handelt es sich vielleicht um ein Tötungsdelikt, das verschleiert werden sollte? In Ermittlungen sind das wesentliche Fragen, die bei einer Obduktion zunächst oft nicht sicher zu beantworten sind. Doberentz hat sich mit ihren KollegInnen daher auf die Suche nach einem aussagekräftigen Biomarker gemacht – und sie wurden bei der retrospektiven Untersuchung von mehreren hundert Fällen fündig.

Das Team hat entdeckt, dass sich Hitzeschockproteine bei extremen Temperatureinwirkungen in den Organen von lebendigen Menschen – hauptsächlich in Nieren und Lungen – vermehrt bilden. „Bei Stress schützt sich die Zelle damit. Anhand von Proben, die bei der Obduktion entnommen und im Labor immunhistochemisch gefärbt werden, kann man diese Proteine sichtbar machen. Es ist ein sehr verlässlicher Marker, der anzeigt, ob eine Person zur Zeit des Brandausbruchs noch gelebt hat“, sagt Doberentz.

Zuverlässige Marker bei Opfern von Erfrierungen und Strangulierungen
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Menschen, die schon vor Brandausbruch verstorben sind, keine Hitzeschockproteine mehr gebildet wurden. Mit ihrem Innsbrucker Team will die Expertin hierzu weitere molekularbiologische Untersuchungen (Anm. mRNA, microRNA) anschließen. Außerdem ist die Gerichtsmedizinerin auch auf der Suche nach einem zuverlässigen Marker bei Erfrierungsopfern. Bei der Untersuchung von sogenannten Strangmarken von Erhängungstodesfällen hat Doberentz ebenfalls einen wichtigen Marker in Gewebeproben identifiziert.

„Aquaporine sind Zellmembran-Strukturen, die sich nach einer Reizung bzw. Verletzung der Haut intensiv anfärben lassen und dadurch Rückschlüsse auf die Vitalität der Verletzung erlauben. Sind sie nachweisbar, ist davon auszugehen, dass die Verletzung der Haut noch zu Lebzeiten entstanden ist. Aquaporine sind daher Vitalitätsmarker, für eine Tatrekonstruktion ist das bedeutsam“, schildert Elke Doberentz. In Zukunft plant sie auf diesem Gebiet Gewebeproben auch auf molekularbiologischer Ebene zu analysieren.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 29.01.2024