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05. Mai 2024

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Österreichisch? Nie gehört.

Österreichisch? Nie gehört.Bilderbox.com

Das österreichische Deutsch ist im Schulwesen kaum ein Thema.

Das Konzept von Deutsch als plurizentrischer Sprache mit den gleichwertigen Formen österreichisches Deutsch, deutsches Deutsch und Schweizer Standarddeutsch ist sowohl in der Lehrer-Ausbildung als auch in Lehrplänen und Schulbüchern kaum bekannt.
Für ein vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt befragte der Linguist Rudolf de Cillia (Uni Wien) mehr als 1.250 Schüler der Sekundarstufe II sowie rund 160 Lehrer und analysierte Lehr- und Studienpläne, sowie Deutschlehrbücher. „Das Konzept von Deutsch als plurizentrischer Sprache ist nur rund 15 Prozent der Lehrpersonen bekannt“, erklärte de Cillia der APA. „Es kommt auch weder in der Aus- noch in der Fortbildung oder in Standardbüchern vor.“ Man könne dieses Konzept natürlich ablehnen. „Aber man sollte sich damit auseinandersetzen und es diskutieren.“ Folgerichtig spielt das österreichische Deutsch im Muttersprachenunterricht kaum eine Rolle.
Insgesamt gibt es eine etwas widersprüchliche Einstellung zur eigenen Sprachvarietät: 86 Prozent der Lehrer und 68 Prozent der Schüler gaben „politisch korrekt“ an, dass „das Standarddeutsch, das in Österreich verwendet wird, genauso korrekt ist wie das in Deutschland“. Bei einer weiter unten im Fragebogen gestellten Kontrollfrage lehnten aber nur mehr 44 Prozent der Lehrer und 32 Prozent der Schüler die umgekehrt formulierte Aussage „Deutsches Deutsch ist korrekter als österreichisches Deutsch“ dezidiert ab.

Deutsche sind größte Migrantengruppe in Österreich
De Cillia schlägt vor, das Thema in der Schule stärker zu behandeln. „Varietätentoleranz könnte ein wichtiges Unterrichtsziel sein. Das gilt auch für den Englisch- und Französischunterricht. Es gibt unterschiedliche Varietäten von Hochsprachen, die eben gleichwertig sind. Dabei geht es auch darum, die anderen Varietäten nicht abzulehnen.“
Das gelte gerade angesichts des Umstands, dass mittlerweile die Deutschen die größte Migrantengruppe in Österreich stellen. „Die sprechen hier natürlich die Varietät, die sie von daheim mitbringen“, so de Cillia. „Das ist zu akzeptieren, aber auch zu thematisieren.“
Als Extrembeispiel des falschen Zugangs schilderte de Cillia die Geschichte des Ehemanns einer Kollegin, der zum Nachweis des A1-Niveaus in Deutsch in Australien eine Prüfung beim – von Deutschland getragenen – Goethe-Institut ablegen musste. Dort sei ihm beschieden worden: „Bei uns gibt es nur das richtige Deutsch. ‚Marille‘ und ‚heuer‘ gilt hier nicht.“

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APA-Science/red/stem/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 14.12.2015