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28. März 2024

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Österreichische Wirtschaft erholt sich

Österreichische Wirtschaft erholt sich© Pexels.com/Chris LeBoutillier

Nach einem Tiefpunkt Ende März kommt Österreichische Wirtschaft schrittweise in die Gänge. Österreichische Nationalbank entwickelt neuen Indikator für Brutto-Inlands-Produkt (BIP) und veröffentlicht ab sofort wöchentliche Daten.

(red/czaak) Ein neu geschaffener wöchentlicher BIP-Indikator der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) auf Basis tagesaktuell verfügbarer Konjunkturdaten zeigt einen konjunkturellen Tiefpunkt Ende März mit einem wochenweisen BIP-Rückgang von jeweils bis zu rund einem Viertel gegenüber den entsprechenden Vorjahreswerten. Seitdem hat eine merkliche Erholung eingesetzt, die sich in der ersten Maiwoche deutlich verstärkt hat. „Hier könnten zumindest teilweise Nachholeffekte beim privaten Konsum eine Rolle spielen“, so die ÖNB in einer Aussendung.

Tiefer Einbruch bei Wirtschaftsleistung
Die aktuelle Corona-Pandemie hat zu einem tiefen und zudem abrupten Einbruch der Wirtschaftsleistung in Österreich geführt. Eine zeitnahe Schätzung des Umfangs und der folgenden schrittweisen Erholung der österreichischen Wirtschaft stellt die Wirtschaftsforschung vor neue Herausforderungen. Traditionelle Konjunkturindikatoren sind oft nicht ausreichend rasch verfügbar und liegen häufig nur auf Monats- oder Quartalsebene vor. Die OeNB hat daher nun mittels tagesaktuell verfügbarer Konjunkturdaten einen Indikator entwickelt, der auf wöchentlicher Basis die wirtschaftliche Aktivität in Österreich abbildet.

Dieser neue wöchentliche BIP-Indikator zeigt, dass der Tiefpunkt in der Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität Ende März erreicht wurde und es im April eine vorsichtige Erholung gab. In der ersten Maiwoche hat die Öffnung vieler Geschäfte zu einer deutlichen Belebung geführt, zu der auch Nachholeffekte im privaten Konsum beigetragen haben dürften. Während des Lockdown in den Kalenderwochen 12 bis 16 lag die Wirtschaftsleistung jeweils um rund 25 Prozent unter dem Vorjahresniveau. In absoluten Größen belaufen sich die aggregierten BIP-Verluste für diesen Zeitraum auf über 12 Milliarden Euro oder rund 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2019 von 375 Mrd. Euro.

Breite Palette an Indikatoren
Zur zeitnahen Abschätzung der unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hat die OeNB ein Set von Konjunkturindikatoren zusammengestellt, die auf Tages- oder Wochenbasis erhoben werden und ohne Zeitverzögerung zur Verfügung stehen. Zu diesen Indikatoren zählen unter anderem LKW-Fahrleistungsdaten der Asfinag, Zahlungsverkehrsdaten von mehreren Zahlungsdiensteanbietern, Arbeitsmarktdaten des AMS und Stromverbrauchsdaten von Institutionen wie e-control und Austrian Power Grid (APG).

Basierend auf diesen zeitnah verfügbaren Konjunkturindikatoren wurde sodann ein neuer Aktivitätsindikator berechnet, der die Entwicklung des realen BIP auf Wochenbasis abbildet. Dazu werden die nachfrageseitigen BIP-Komponenten mittels sogenannter Brückengleichungen (Anm. Prognosegleichungen in Verbindung mit Variablen unterschiedlicher Datenfrequenz) geschätzt.

Nachgeholte Konsumausgaben
In der aktuellen Situation zeigt der neue BIP-Indikator einen konjunkturellen Tiefpunkt Ende März mit einem wöchentlichen BIP-Rückgang von 26 Prozent gegenüber den Vorjahreswerten. Im April hat zunächst eine leichte Erholung eingesetzt, die sich in der ersten Maiwoche beschleunigt hat. In der letzten vollen Aprilwoche lag das wirtschaftliche Aktivitätsniveau noch rund 21 Prozent unter dem Vorjahreswert. In Kalenderwoche 18 verringerte sich der Rückgang weiter, mit einem Minus von 18 Prozent war der Abstand zum „Normalbetrieb“ aber weiterhin groß.

Erst in der ersten vollen Maiwoche (Kalenderwoche 19) setzte eine deutliche Erholung ein. Hier war die BIP-Lücke gegenüber dem Vorjahresvergleichswert mit 11 Prozent weniger als halb so groß wie zum Höhepunkt des Lockdown. Im Zuge der Öffnung vieler Geschäfte haben die privaten Haushalte zuletzt ihre Konsumausgaben deutlich erhöht. Zum Teil dürften während des Lockdown aufgeschobene Konsumausgaben nachgeholt worden sein. Nimmt man beispielsweise an, dass die Hälfte der zusätzlichen Konsumausgaben vorübergehende Nachholeffekte waren, wäre das BIP in Kalenderwoche 19 weiterhin fast 15 Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen.

Weitere Adaptierungen bei Indikatoren folgen
Zu welchem Teil diese Erholung dauerhaft ist oder vorübergehende Nachholeffekte widerspiegelt, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Während des Lockdown betrugen die BIP-Verluste bis zu 2 Mrd. Euro pro Kalenderwoche, in Kalenderwoche 19 trotz der deutlichen Belebung nach wie vor knapp 1 Mrd. Euro. Für den Zeitraum 16. März bis 10. Mai 2020 summieren sich die bisherigen Verluste auf über 12 Mrd. Euro, gegenüber einem BIP im gesamten Jahr 2019 von 375 Mrd. Euro.

Die ÖNB weist in ihrer Aussendung ausdrücklich darauf hin, dass eine wöchentliche BIP-Schätzung mit großen Unsicherheiten verbunden ist. Die hier vorgestellten Zahlen böten nur einen groben Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Aktivität und können übliche modellgestützte makroökonomische Prognosen nicht ersetzen. In den nächsten Wochen wird der Indikator laufend verbessert werden, und zusätzliche Daten einbezogen. Dadurch können sich auch rückwirkend noch Änderungen der Schätzergebnisse ergeben. Die neuen BIP-Daten werden ab nun regelmäßig über die ÖNB-Website veröffentlicht.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 14.05.2020