Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung

13. Februar 2025

Search form

Search form

Quantentheorie und Thermodynamik

Quantentheorie und Thermodynamik© Pexels.com/googledeepmind

Die Welt wird unordentlicher, wenn der Zufall regiert. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik ist eines der wichtigsten Naturgesetze. Die TU Wien forscht zu diesem Thema nun im Kontext mit der Quantenphysik.

(red/cc) Es ist eines der wichtigsten bekannten Naturgesetze: Der berühmte zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Welt immer unordentlicher wird, wenn der Zufall regiert. Oder, etwas präziser formuliert: Dass in jedem abgeschlossenen System die Entropie zunehmen muss. Geordnete Strukturen verlieren ihre Ordnung, regelmäßige Eiskristalle werden zu Wasser, Porzellanvasen werden zu Scherben. Die Quantenphysik allerdings scheint sich auf den ersten Blick nicht so recht an diese Regel zu halten: Dort bleibt mathematisch gesehen die Entropie nämlich immer gleich.

Diesen scheinbaren Widerspruch untersuchte nun ein Forschungsteam der TU Wien. Es kommt darauf an, welche Art von Entropie betrachtet wird. Wird das Konzept der Entropie auf eine Weise definiert, die zu den Grundideen der Quantenphysik passt, dann gibt es auch keinen Widerspruch mehr zwischen Quantenphysik und Thermodynamik und dann steigt auch in anfangs geordneten Quantensystemen die Entropie an, bis sie einen Endzustand der Unordnung erreicht hat.

Entropie und die Richtung der Zeit

„Entropie“ mit „Unordnung“ gleichzusetzen, ist allerdings nicht ganz korrekt. Das Verständnis von „Unordnung“ kann ja subjektiv sein. Entropie lässt sich aber mathematisch sauber definieren. „Entropie ist ein Maß dafür, ob sich ein System in einem speziellen, ganz besonderen Zustand befindet, dann hat das System wenig Entropie, oder ob es sich in einem von vielen Zuständen befindet, die oberflächlich betrachtet gleich aussehen, dann hat es hohe Entropie“, erklärt Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien.

Wenn man mit einem ganz speziellen Zustand anfängt und als Beispiel dafür eine exakt nach Farben sortierte Schachtel voller Kugeln nimmt, dann wird nach Schütteln der Schachtel im Lauf der Zeit ein vermischter Zustand entstehen. Das liegt einfach daran, dass es nur wenige geordnete Zustände gibt, aber sehr viele, die gleichermaßen ungeordnet sind. „Physikalisch gesehen wird dadurch erst die Richtung der Zeit definiert“, sagt Max Lock von der TU Wien. „In der Vergangenheit war die Entropie niedriger, Zukunft ist dort, wo die Entropie höher ist“, so Lock.

Jeder Zeitpunkt physikalisch gesehen so gut wie jeder andere
In der Quantenphysik stößt man hier aber auf ein Problem. Der Mathematiker und Physiker John von Neumann konnte zeigen, dass sich die Entropie in einem Quantensystem gar nicht nach den Gesetzen der Quantenphysik verändern kann. Gibt es die volle Information über ein Quantensystem, bleibt die sogenannte „von-Neumann-Entropie“ immer gleich, ob die Zeit vorwärts oder rückwärts läuft, lässt sich gar nicht sagen, jeder Zeitpunkt ist physikalisch gesehen so gut wie jeder andere, so die Forscher.

„In der Quantenphysik kann man in Wahrheit niemals die volle Information über ein System haben kann. Wir können uns eine Eigenschaft des Systems aussuchen, die wir messen wollen – eine sogenannte Observable“, ergänzt Tom Rivlin von der TU Wien einen wichtigen Umstand. „Das kann dann etwa der Aufenthaltsort eines Teilchens sein, oder seine Geschwindigkeit. Die Quantentheorie sagt uns dann, mit welcher Wahrscheinlichkeit wir welches Messergebnis erhalten werden. Aber wir können laut Quantentheorie prinzipiell niemals über die volle Information des Systems verfügen“, skizziert Rivlin.

Je mehr Zeit vergeht, umso unklarere Messergebnisse

Aber auch wenn die Wahrscheinlichkeiten bekannt sind – das Ergebnis einer ganz bestimmten Messung bleibt überraschend und das muss in die Entropie-Definition miteinbezogen werden. Für den vollständigen Quantenzustand des kompletten Systems kann also nicht nur ein Entropie-Wert berechnet werden (Anm. das wäre die Neumann-Entropie, die sich nicht verändert), sondern man kann auch eine Entropie für eine bestimmte Observable berechnen. Diese Art der Entropie wird „Shannon-Entropie“ genannt. Sie hängt von den Wahrscheinlichkeiten ab, mit denen unterschiedliche mögliche Werte gemessen werden.

Das TU-Forschungsteam konnte nun zeigen: Wird mit einem Zustand geringer Shannon-Entropie gestartet, dann nimmt sie in einem abgeschlossenen Quantensystem zu, bis sie sich um einen Maximalwert einpendelt – genau, wie das aus der Thermodynamik aus klassischen Systemen bekannt ist. Je mehr Zeit vergeht, umso unklarer werden die Messergebnisse, umso größer Überraschungen beim Beobachten. Das wurde nun einerseits mathematisch bewiesen, andererseits auch durch Computersimulationen bestätigt, die das Verhalten mehrerer wechselwirkender Teilchen beschreiben.

Die Quanten-Unordnung nimmt doch zu

„Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik stimmt also auch in einem Quantensystem, das von der Umwelt völlig isoliert ist. Es braucht nur die richtigen Fragen und eine geeignete Entropie-Definition“, sagt Marcus Huber. Werden nun Quantensysteme untersucht, die nur aus sehr wenigen Teilchen bestehen (zum Beispiel ein Wasserstoff-Atom, mit nur einem einigen Elektron), dann spielen solche Überlegungen keine Rolle.

Im Kontext mit modernen technischen Anwendungen der Quantenphysik geht es aber oft um Quantensysteme mit vielen Teilchen. „Für die Beschreibung solcher Vielteilchen-Systeme ist es unerlässlich, die Quantentheorie mit der Thermodynamik in Einklang zu bringen“, sagt Marcus Huber. „Daher wollen wir mit unserer Grundlagenforschung auch die Basis für neue Quantentechnologien legen“, so der TU-Forscher.

Links

red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 04.02.2025