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14. Juni 2025

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Künstliche Intelligenz für genaueste Messungen

Künstliche Intelligenz für genaueste Messungen© Pexels.com/cottenbro

Der Einsatz von KI bei Messergebnissen unter Verwendung von unscharfen Bildern ist Thema eines Forschungsprojekts an der TU Wien. 



(red/cc) Kein Bild ist unendlich scharf. Egal wie präzise man ein Mikroskop oder eine Kamera baut, es gibt immer grundlegende und final feststehende Genauigkeitsgrenzen. Die Position eines Teilchens kann etwa niemals unendlich genau vermessen werden, eine gewisse Unschärfe ist unvermeidlich. Diese Grenze ergibt sich nicht aus technischen Schwächen, sondern aus den physikalischen Eigenschaften des Lichts und der Informationsübertragung selbst.

Strategie für bildgebende Verfahren

Die TU Wien, die Universität Glasgow und die Universität Grenoble untersuchten nun die absolute Grenze der Präzision, die mit optischen Methoden möglich ist. Und wie diese Grenze möglichst gut erreichbar ist. Dem internationalen Team gelang es dabei eine unterste Schranke für die theoretisch erreichbarer Präzision anzugeben und KI-Algorithmen für neuronale Netze zu entwickeln, die nach entsprechendem Training dieser Schranke sehr nahekommen. Diese Strategie soll nun in bildgebenden Verfahren eingesetzt werden, etwa in der Medizin.

„Stellen wir uns vor, wir betrachten ein kleines Objekt hinter einer unregelmäßigen, trüben Glasscheibe“, sagt Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Wir sehen dann nicht einfach ein Bild des Objekts, sondern ein kompliziertes Lichtmuster, bestehend aus vielen helleren und dunkleren Lichtflecken. Wie genau können wir auf Basis dieses Bildes abschätzen, wo sich das Objekt tatsächlich befindet – und wo liegt die absolute Grenze dieser Genauigkeit?“, erläutert Rotter die Ausgangsbasis.

Physik gibt hier grundlegende Grenzen vor

Solche Szenarien sind etwa in der Biophysik oder der medizinischen Bildgebung von Bedeutung. Wenn Licht durch biologisches Gewebe gestreut wird, verliert es scheinbar die Information über tiefer liegende Gewebestrukturen. Doch wie viel von dieser Information lässt sich prinzipiell zurückgewinnen? Diese Frage ist nicht nur von technischer Natur, sondern die Physik selbst gibt hier grundlegende Grenzen vor.

Die Antwort darauf liefert ein theoretisches Maß, die sogenannte Fisher-Information. Sie beschreibt, wie viel Information ein durch irgendwelche Effekte verfälschtes optisches Signal über einen unbekannten Parameter – etwa die Objektposition – enthält. Ist die Fisher-Information gering, ist keine präzise Bestimmung mehr möglich, egal wie raffiniert das Signal ausgewertet wird. Auf Basis dieses Konzepts konnte das Team eine Obergrenze für die theoretisch erreichbare Genauigkeit in unterschiedlichen experimentellen Szenarien berechnen.

Neuronale Netze lernen aus chaotischen Lichtmustern

Während das Team der TU Wien theoretische Beiträge lieferte, wurde ein entsprechendes Experiment von Dorian Bouchet von der Universität Grenoble (Frankreich) zusammen mit Ilya Starshynov und Daniele Faccio von der Universität Glasgow (UK) konzipiert und durchgeführt. In diesem Experiment wurde ein Laserstrahl auf ein kleines, spiegelndes Objekt gerichtet. Dieses befand sich hinter einer trüben Flüssigkeit, sodass die aufgenommenen Bilder nur noch stark verzerrte Lichtmuster zeigten. Je nach Trübung variierten die Messbedingungen – und damit auch die Schwierigkeit, aus dem Signal präzise Positionsinformationen zu gewinnen.

„Für das menschliche Auge sehen diese Bilder wie zufällige Flecken aus. Aber wenn wir viele solcher Bilder – jeweils mit bekannter Objektposition – in ein neuronales Netz einspeisen, kann das Netz lernen, welche Muster mit welchen Positionen zusammenhängen“, erklärt Maximilian Weimar von der TU Wien. „Nach ausreichendem Training war das Netz in der Lage, auch bei neuen, unbekannten Mustern die Objektposition sehr genau zu ermitteln“, so Weimar.

Einsatzszenarien in medizinischer Diagnostik, Materialforschung oder Quantentechnologie.

Besonders bemerkenswert: Die Genauigkeit der Vorhersage war in allen Szenarien nur minimal schlechter als das theoretisch erreichbare Maximum – berechnet über die Fisher-Information. „Das bedeutet, dass unser KI-gestützter Algorithmus nicht nur effektiv, sondern nahezu optimal ist. Er erreicht fast genau jene Präzision, die durch physikalische Gesetze überhaupt erlaubt ist“, unterstreicht Stefan Rotter von der TU Wien.

Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen: Mit Hilfe intelligenter Algorithmen könnten optische Messverfahren in verschiedensten Bereichen deutlich verbessert werden – von der medizinischen Diagnostik über die Materialforschung bis hin zur Quantentechnologie. In künftigen Projekten will das Forschungsteam gemeinsam mit Partnern aus der angewandten Physik und Medizin nun untersuchen, wie diese KI-gestützten Methoden in konkreten Systemen zum Einsatz kommen können.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 09.06.2025