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29. März 2024

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Mentaler Stress als Risikofaktor für psychische Beschwerden nach Corona

Mentaler Stress als Risikofaktor für psychische Beschwerden nach Corona© Pexels.com/cottenbro

Depressionen und Angststörungen nach einer Corona-Infektion nehmen zu. Eine Studie der Med Uni Innsbruck beleuchtet das Thema Lebensqualität nach der Krankheit und fordert weiteren Ausbau der Betreuung.

(red/czaak) Wer viel psychischen Stress hat, leidet nach einer zuhause auskurierten Corona-Infektion häufiger an Depressionen oder Angststörungen. Der Auslöser für den Stress – ob Corona und die damit verbundenen Maßnahmen oder andere Faktoren – spielt dabei keine Rolle. Es geht beispielsweise auch um finanzielle oder gesundheitliche Sorgen, Probleme in Arbeit und Ausbildung oder Belastung durch die Versorgung der Kinder oder in der Beziehung. 

Psychische Folgen möglichst früh abfangen
Das sind zentrale Erkenntnisse einer Zwischenauswertung der großen, multidisziplinären Online-Befragung „Gesundheit nach COVID-19“ die von der Pneumologin Judith Löffler-Ragg (Uni Klinik für Innere Medizin II) initiiert wurde. Unter Anleitung von Katharina Hüfner (Uni Klinik für Psychiatrie II) untersuchte das Studienteam die psychische Gesundheit nach COVID-19 und analysierte dabei den möglichen Einfluss von mehr als 200 abgefragten Faktoren. Die Studienergebnisse wurden nun im Fachjournal Frontiers in Medicine publiziert. 
 
Ziel war es, herauszufinden, welche Betroffenen ein besonders hohes Risiko haben, nach einer ambulant durchgemachten Corona-Erkrankung eine psychische Beeinträchtigung zu entwickeln. „Die Post-COVID Leitlinien besagen, dass es wahrscheinlich wirksam ist, psychische Folgen möglichst früh abzufangen. Um präventiv reagieren zu können, müssen wir jedoch wissen, auf welche Gruppe von Menschen wir besonders schauen müssen, weil sie ein hohes Risiko hat“, erläutert Katharina Hüfner.

Psychosozialer Stress als weitaus stärkster Risikofaktor
Neben psychosozialem Stress als weitaus stärksten Risikofaktor identifizierten die ExpertInnen der Med Uni Innsbruck weitere wichtige Marker für die Entwicklung psychischer Erkrankungen infolge einer Corona-Infektion. Das Risiko für psychische Folgen erhöht sich etwa mit der Anzahl der akuten und subakuten (nach zwei bis vier Wochen noch bestehende) Krankheitssymptome, wie etwa Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Fieber aber auch Schlafstörungen. Neurokognitive Symptome, wie Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Konzentrationsdefizite während der akuten Infektion oder auch im subakuten Stadium sind ein weiterer Risikofaktor für psychische Beeinträchtigungen.

„Es ist denkbar, dass beispielsweise persistierende Entzündungsprozesse oder eine Schädigung der Stützzellen (Anm. Zellen, welche die Nervenzellen stützen und umgeben) im Gehirn hier eine Rolle spielen“, so Hüfner. Es hat sich zwar gezeigt, dass Menschen, die in der Vergangenheit bereits einmal eine Depression oder Angststörung hatten, ein höheres Risiko haben. „Der Einfluss ist aber längst nicht so stark, wie jener der genannten Risikofaktoren, allen voran mentaler Stress. Der Einfluss von Alter, Geschlecht und sozioökonomischen Status sind dem ebenfalls untergeordnet“, betont Katharina Hüfner.

Über ein Fünftel aller Befragten sehen psychische Gesundheit beeinträchtigt 
Für die Untersuchung wurden Fragebögen von 1.157 Personen in Tirol und 893 in Südtirol ausgewertet, die zwischen 30. September 2020 und 11. Juli 2021 an der „Gesundheit nach COVID 19“-Onlinebefragung teilgenommen hatten. Rund 12 Prozent der TeilnehmerInnen in Tirol und rund 19 Prozent in Südtirol hatten angegeben post COVID an Angstzuständen zu leiden. 17 Prozent der Befragten in Tirol und rund 23 Prozent in Südtirol zeigten depressive Symptome. Jeweils mehr als ein Fünftel aller Befragten sahen ihre allgemeine psychische Gesundheit und ihre Lebensqualität beeinträchtigt. 
 
In Anbetracht der Studienergebnisse ermutigt Hüfner Betroffene, sich bei anhaltender psychischer Belastung professionellen Rat einzuholen. Erste Ansprechpartner seien dafür die Hausärzte, die im Rahmen des Post COVID Netzwerkes Tirol bei Bedarf weitere Behandlungsschritte einleiten können. Gleichzeitig betont die Expertin die dringende Notwendigkeit, die leistbaren Behandlungsplätze für psychiatrisch-psychologische Kurzzeitinterventionen und Psychotherapie in Tirol weiter auszubauen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 29.03.2022