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29. März 2024

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Der Verlust der Wissensbasis

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Von allen österreichischen Bundesländern ist Kärnten am meisten vom Brain Drain betroffen, der Abwanderung gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Am Bildungsangebot liegt es weniger als an der mangelnden Standortqualität und schwindenden Zukunftsperspektiven.

Kärnten hat eine Reihe von Problemen, doch eines der größten stellt wohl der ungeminderte Brain Drain aus dem südlichsten österreichischen Bundesland dar. Aufgrund multipler Ursachen leidet dieses Land derzeit von allen heimischen Bundesländern am stärksten unter Abwanderung von Talenten und gut ausgebildeten Arbeitskräften, und es sieht nicht so aus, als ob sich dieser Trend in der nächsten Zeit umkehren würde.
Die Gründe dafür liegen in einem Mix aus Umständen, die in dem Begriff einer sich rapide verschlechternden Standortattraktivität zusammengefasst werden können. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Gallup-Instituts er–gab, dass sich in Kärnten „die klassischen Phasen einer Krise“ abzeichnen, wie es Motivforscherin Sophie Karmasin ausdrückt.
Gemäß der Umfrage betrachten 65 Prozent der Kärntner ihr Land als schlecht verwaltet, gar 77 Prozent halten die hohe Verschuldung für überaus problematisch und se­hen einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft. Letzterer Einschätzung schließen sich sogar 90 Prozent der Führungskräfte aus der Kärntner Industrie an.

Vier pro Tag gehen
Laut Otmar Petschnig, Präsident der Kärntner Industriellenvereinigung, verliert Kärnten pro Tag vier Einwohner durch Abwanderung. Besonders von diesem Phänomen betroffen sind die Bezirke Unterkärntens, aber auch die von Arbeitslosigkeit stark in Mitleidenschaft gezogenen Regionen im Nordwesten. Kärnten wird entsprechend dieser Berechnungen bis zum Jahr 2031 fünf Prozent an Bevölkerung (derzeit 560.000) verlieren, prognostiziert die Abteilung Landesplanung des Amts der Kärntner Landesregierung. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist neben der Abwanderung allerdings auch das Geburtendefizit. Hinsichtlich der sogenannten „Erwerbsbevölkerung“ zwischen 15 und 64 Jahren wird bis zum Jahr 2020 ein Rückgang um 14.000, ein Minus von knapp vier Prozent, erwartet, während der Anteil der älteren, nicht mehr erwerbstätigen Menschen überproportional ansteigen werde, lautet die Analyse.
Das Problem des Brain Drain liegt jedoch nicht so sehr in einem Mangel an geeigneten Ausbildungsstätten. Schließlich verfügt Klagenfurt über eine eigene Universität. Auch Fachhochschulen und andere Bildungswege gibt es zuhauf. Das Problem ist vielmehr in der unzureichenden Verfügbarkeit von Stellen für Akademiker und Fachleute abseits des Landesdienstes begründet, der traditionell als „Hafen“ für Kärntner Akademiker dient. Top-Firmen, die Stellen mit Aufstiegs­chancen und guter Bezahlung bieten, sind im Lande rar gesät.
Zugleich hält es der Mikrochip­hersteller Infineon in Villach für überaus schwierig, junge Akademiker und Experten im Land zu halten oder gar hoch qualifiziertes Personal dorthin zu bringen. Kärnten müsse sich mehr auf Standortförderung und Innovation festlegen, meint Infineon-Chefin Monika Kircher-Kohl.

Magnet Wien
Statistisch gesehen verlassen die meisten Kärntner ihre Heimat in Richtung Wien, wo bereits 80.000 von ihresgleichen leben. Der Rückfluss von Abgewanderten ist eher spärlich oder wie es der Politologe Peter Filzmaier ausdrückt: „Die Zahl der intellektuellen Zuwanderer nach Kärnten ist bescheiden.“
Abgesehen von bestimmten Regionen in Österreich wie etwa der Obersteiermark oder dem nördlichen Weinviertel ist auch das Burgenland ein Bundesland, das mit Abwanderung zu kämpfen hat, insbesondere im Süden.
Viele südburgenländische Gemeinden kämpfen mit Abwanderung und Geburtenrückgang. Wirtschaftsschwäche, die periphere Lage sowie die fehlende urbane Ausstattung haben das Burgenland zu einer klassischen Abwanderungsregion gemacht. Jahrzehntelang war das Burgenland mit einer negativen Bevölkerungsentwicklung konfrontiert.
Der Anteil der Wohnbevölkerung mit Hochschulabschluss im Burgenland ist gering. Im Land selbst steht nur eine kleine Zahl hoch qualifizierter Arbeitsplätze für Hochschulabsolventen zur Verfügung. Daher pendelt diese Bevölkerungsgruppe zu einem großen Teil in Richtung Wien, nach Niederösterreich oder in den Raum Graz. Insgesamt gehören fast drei Viertel der erwerbstätigen Burgenländer zu den Pendlern.

Economy Ausgabe 85-06-2010, 25.06.2010