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26. April 2024

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Neue EU-Richtlinien für Finanzbranche bedrohen Wirtschaftskreislauf

Neue EU-Richtlinien für Finanzbranche bedrohen WirtschaftskreislaufBilderbox.com

Experten fürchten durch neue Bankenrichtlinien weitere Verstärkung der Kreditklemme und negative Auswirkungen auf den gesamten Wirtschaftskreislauf.

Nach der Einführung der Basel III-Standards und der Neuordnung der europäischen Bankenaufsicht im Jahr 2014 sind die Folgen für den österreichischen Finanzmarkt auch noch im heurigen ersten Quartal deutlich spürbar, so aktuelle Erkenntnisse der internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte.
Bevor die Auswirkungen auf die Realwirtschaft final beurteilt werden können, planen der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht sowie europäische Institutionen bereits weitere wichtige Änderungen für die Finanzbranche. Fachkreise sprechen bereits von einem „Basel IV“.
Beinhaltet sind hier neue Messmethoden für das Kreditrisiko, das Marktrisiko und das operative Risiko, die laut Deloitte „in Summe wohl abermals erhöhte Eigenkapital-Anforderungen bedeute. „Basel IV wird daher weitreichende Auswirkungen auf die Finanzbranche haben und zudem, mehr noch als „Basel III“, auch auf die Industrie,“ so die Deloitte-Experten weiter.

Komplette Überarbeitung von Basel III
Nur rund ein Jahr nach Inkrafttreten von Basel III werden wesentliche Vorschriften der drei Säulen des Basler Papiers teilweise komplett überarbeitet und erweitert. In Säule I werden generell die Eigenkapitalanforderungen geregelt und der bankenaufsichtsrechtliche Eigenmittelbegriff festgelegt. Erklärtes Ziel der Neuregelung in diesem Bereich ist es, die Risikosensitivität zu erhöhen und international vergleichbare Kapitalanforderungen zu schaffen.
In der Säule II ist das Überprüfungsverfahren durch die Bankenaufsicht geregelt und Säule III enthält Offenlegungsanforderungen. Die hier bevorstehenden Änderungen zielen somit auf eine Verbesserung der internen Risikomessung und Governance-Prozesse sowie eine höhere Transparenz ab. Insgesamt lässt sich laut Deloitte in regulatorischer Hinsicht der Trend beobachten, noch stärker als bisher in die Entscheidungsbefugnisse des Vorstands und der Eigentümer von Banken einzugreifen.
„Die substanziellen Änderungen, die von Seiten der europäischen Bankenaufsicht aktuell geplant sind, lassen vermuten, dass die bisherigen Basel-Regelungen nicht den gewünschten Effekt erzielt haben“, so Dominik Damm, leitender Manager bei Deloitte Österreich.

Neugestaltung des Bankensektors
Sowohl die Überarbeitung des Standardansatzes für das Kreditrisiko als auch die Erweiterung des Überprüfungsprozesses der Bankenaufsicht haben große Auswirkungen auf die Kapitalplanung, das Geschäftsmodell und die Rentabilität von Banken. Für das Management der Finanzinstitute steht vor allem auch ihre Souveränität am Spiel.
„Neben der Einführung eines weiteren umfassenden Regelwerks steht den Instituten insbesondere die kritische Überarbeitung des Geschäftsmodells bevor. Die vorgeschlagene Risikogewichtung von Instituten, Unternehmen und Beteiligungen primär auf Basis vordefinierter Risikotreiber erfordert umfassende Anpassungsmaßnahmen“, betont Damm.
„Die meisten Änderungen werden voraussichtlich 2017 in Kraft treten. Banken und Unternehmen sollten aber bereits jetzt die Entwicklungen bei der langfristigen Kreditvergabe im Auge behalten und prüfen, da sonst die Gefahr der Ertragsfalle droht“, ergänzt Damm.

Verstärkung der Kreditklemme
Die Finanzindustrie befürchtet vor allem abermals erhöhte Eigenmittelanforderungen sowie die vollständige Eliminierung externer Ratings bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen. Kritisch werden vor allem die höhere Risikogewichtung, die Einschränkung der anrechenbaren Maßnahmen zur Kreditrisikominimierung und die Erhöhung der Bewertungsabschläge bei Kreditsicherheiten gesehen. Weiters gehen Banken davon aus, dass künftig bei Kreditvergabe und Risikobewertung die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen zu wenig berücksichtigt werden.
Aus Sicht der Industrie würde die Kreditbewertung zusätzlich durch die eingeschränkte Verfügbarkeit von Daten erschwert werden. In Summe besteht somit die Gefahr, dass durch die zusätzlichen Kosten für die Finanzinstitute die Kreditklemme weiter verstärkt und die Investitionsbereitschaft am Standort Österreich gehemmt wird.

Banken abermals Verlierer
Die Überarbeitung des Standardansatzes hat für Finanzinstitute sowohl aus Kreditgeber- als auch aus Kreditnehmersicht erhebliche Auswirkungen. Verglichen mit aktuellen gesetzlichen Vorgaben werden die anzuwendenden Risikogewichte und entsprechende Kapitalkosten besonders für jene Kredite erhöht, die an Banken vergeben werden. Dies betrifft insbesondere kleine und mittelgroße Kreditinstitute, die über kein externes Rating einer anerkannten Rating-Agentur verfügen und somit bis dato alternativ auf Basis eines Länder-Ratings beurteilt wurden.
„Die gemäß überarbeitetem Ansatz heranzuziehenden Indikatoren werden grundsätzlich von Instituten jeglicher Größe berechnet und veröffentlicht, wodurch die bisherige Abhängigkeit von externen Ratings und somit auch die alternative Anwendung des meist mit geringeren Kapitalkosten verbundenen Sitzstaaten-Ratings eliminiert wird“, erläutert Damm.
Auch im Bereich der Unternehmerkredite spielt die Größe eine wesentliche Rolle. So haben Analysen gezeigt, dass große, etwa an Börsen notierte Unternehmen künftig geringere Kapitalkosten verursachen, während für kleine und mittelgroße Unternehmen von stagnierenden oder leicht steigenden Kapitalkosten auszugehen ist.

Geplante Änderungen bei „Basel IV“
Im Rahmen der neuen Richtlinien durch „Basel IV“ soll ein neuer Standardansatz für das Kreditrisiko vor allem die bisher mangelnde Risikosensitivität steigern und die hohe Abhängigkeit von externen Ratings senken. Weitere Schwächen des aktuellen Standardansatzes sind eine veraltete Bewertung der Risikogewichtung, die unterschiedlichen nationalen Wahlrechte sowie die hohe Komplexität von Techniken, die Kreditrisiken minimieren.
Auf Grund dieser Situation und Entwicklung sollen nun folgende Standards eingeführt werden: Wesentliche Risikogewichte sollen künftig anhand von „Risikotreibern“ und nicht mehr anhand von externen Ratings bestimmt werden, weiters sollen geänderte Forderungsklassen-Abgrenzungen eine risikosensitivere Ausgestaltung und bessere Vergleichbarkeit ermöglichen und zudem soll es eine weitgehende Beseitigung von nationalen Wahlrechten, Unklarheiten und komplexen kreditrisikomindernden Techniken geben.

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red/czaak, Economy Ausgabe 999999, 18.05.2015