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29. März 2024

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Geschönte Finanzzahlen und Korruption in Österreich

Geschönte Finanzzahlen und Korruption in ÖsterreichBilderbox.com

Fehlender Optimismus, starker Leistungsdruck und keine Kultur des Scheiterns als Nährboden für Bilanztricks bei Österreichs Managern.

Umfangreiche internationale Studie von Ernst & Young beleuchtet Sichtweise und Handhabung von Korruption, Bestechung und Regularien in 38 Ländern sowie Österreichs „führende“ Position bei kreativer Finanzbuchhaltung und die starke Ablehnung von Regulatiorien hierzulande trotz paralleler Etablierung von Compliance-Richtlinien.

3.800 Befragungen in 38 Ländern
Im Rahmen der aktuellen „EMEIA Fraud Survey“ der internationalen Prüfungs- und Beratungsorganisation Ernst & Young (EY) wurden über 3.800 Finanzvorstände, Revisionsleiter sowie Legal- (Recht) und Compliance-Manager aus 38 Ländern Europas, des Mittleren Ostens, Indiens und Afrikas befragt, davon 100 aus Österreich. Der EY EMEIA Fraud Survey wird alle zwei Jahre durchgeführt.

Bilanztricksereien in Österreich stark verbreitet
Im Gesamtergebnis halten über die Hälfte der Manager Korruption und Bestechung in ihrem Land für üblich. In Europa liegen Kroatien, Slowenien und Serbien an der Spitze. In Österreich bezeichnen mehr als zwei Drittel der Manager das Schönen von Bilanzergebnissen als verbreitet, nur in Serbien und Slowenien sind es mehr.

Etablierung von Compliance Regeln steigt
Jeder neunte Manager in Europa würde im Notfall für Aufträge Bargeld zahlen, in Österreich jeder achte. Compliance-Richtlinien sind inzwischen bei 60 Prozent der österreichischen Unternehmen etabliert, allerdings lehnen Manager hierzulande Regularien am stärksten ab.

Südost-Europa belegt bei Korruptionsranking absolute Spitzenplätze
Korruption ist trotz einer leichten Verbesserung im Zweijahresvergleich weiterhin weit verbreitet. Insgesamt gibt mehr als die Hälfte (51%) der Manager in der EMEIA-Region an, dass Korruption und Bestechung in ihrem Land an der Tagesordnung sind. Im Südosten Europas ist Korruption besonders stark verbreitet: Kroatien (92%), Slowenien (87%) und Serbien (84%) belegen im europäischen Korruptionsranking die ersten drei Plätze.

Österreich bei Korruption und Bestechung über Europa-Durchschnitt
Hierzulande berichten 42 Prozent von einer weiten Verbreitung von Korruption und Bestechung – damit liegt Österreich über dem europaweiten Durchschnitt (35%). Am saubersten geht es im Norden Europas zu: Manager in Dänemark (4%), Schweden (10%) und Finnland (11%) berichten von der wenigsten Korruption.

Die Ethik der Unternehmenslenker
Kritisch sind die befragten Unternehmenslenker bei der Selbsteinschätzung: Nur ein Viertel (26%) bescheinigt dem eigenen Unternehmen ein tadelloses ethisches Verhalten im Geschäftsleben. Besonders unethisch geht es laut eigener Angabe vor allem bei Unternehmen in Russland (10%), der Slowakei (11%) und Ungarn sowie Frankreich (je 13%) zu. Österreich liegt hier im oberen Mittelfeld (28%).

Verbesserung bei Verstößen gegen Unternehmensrichtlinien
Die Ergebnisse der EY-Studie zeigen aber auch in vielen Bereichen klare Verbesserungen bei der Bekämpfung von Verstößen gegen Unternehmensrichtlinien. So haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen (57%) einem strengen Compliance-Regelwerk unterworfen und klare Antikorruptionsrichtlinien eingeführt, in Österreich sind es 60 Prozent.

Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit
„Zahlreiche Korruptionsskandale der Vergangenheit haben zu einem Umdenken bei den Unternehmen geführt. Antikorruptionsrichtlinien sind inzwischen in zahlreichen Unternehmen eingeführt worden, Verstöße werden auch zunehmend geahndet,“ so Andreas Frohner, Leiter der Abteilung „Fraud Investigation & Dispute Services“ bei EY Österreich. „Aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft oft noch eine große Lücke, trotz aller Regeln ist Korruption in Österreich nach wie vor nicht gebannt und vor allem für auslandsaktive Unternehmen ein Riesenproblem,“ betont Frohner.

Österreich auf „Spitzenposition“ bei geschönten Finanzzahlen
Geht es nach den befragten Managern, sind geschönte Finanzergebnisse in Österreich besonders weit verbreitet: Mehr als zwei Drittel (68%) der österreichischen Manager geben an, dass Unternehmen hierzulande ihre Zahlen oft besser darstellen, als sie sind. Damit liegt Österreich im internationalen Vergleich nur knapp hinter Serbien und Slowenien (jeweils 69%) auf Rang Drei und deutlich über dem Durchschnitt (37%).

Zurückhaltung bei Kommunikation negativer Finanzergebnisse
In Westeuropa gibt überhaupt nur ein Drittel (33%) der Manager an, dass Unternehmen in ihrem Land Zahlen „frisieren“. Entsprechend zurückhaltend werden in Österreich negative Finanzergebnisse kommuniziert: Nur 38 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass diese offen und transparent dargestellt werden, durchschnittlich sind es 42 Prozent.

Richtige Einordnung der Ergebnisse wichtig
„Gerade weil diese Ergebnisse so alarmierend sind, ist es umso wichtiger, sie richtig einzuordnen. Man kann daraus nicht schließen, dass in Österreich deutlich öfter Zahlen geschönt werden als in anderen Ländern. Aber diese extremen Einschätzungen zeichnen ein Stimmungsbild, das von Verunsicherung und Misstrauen gekennzeichnet ist,“ erläutert Frohner weiter.

Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung
„Das verdeutlicht auch die große Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild. Auf der einen Seite bezeichnen mehr als zwei Drittel das Frisieren von Finanzergebnissen in Österreich als weit verbreitet, beim eigenen Unternehmen glaubt aber nur ein Fünftel an geschönte Zahlen in den letzten zwölf Monaten,“ ergänzt der E&Y-Partner.

Kein Rückschluss auf mangelndes Unrechtsbewusstsein
Aus Sicht von Andreas Frohner ließe sich aus diesen Ergebnissen jedenfalls kein Rückschluss auf mangelndes Unrechtsbewusstsein bei österreichischen Managern ziehen: „Selbst wenn das Überleben des Unternehmens davon abhinge, würden es nur vier Prozent der österreichischen Manager vertretbar finden, Geschäftsergebnisse vorsätzlich falsch anzugeben. Es fehlt also keinesfalls an Moral, sondern an Vertrauen in das wirtschaftliche Umfeld im eigenen Land.“

Deutlicher Druck zur Verbesserung der Unternehmenszahlen
„73 Prozent – und damit erheblich mehr als der internationale Durchschnitt von 58 Prozent – kämpfen damit, dass sich die heimische Wirtschaft langsamer entwickelt als erwartet, 57 Prozent spüren deutlichen Druck zur Verbesserung der Unternehmenszahlen. Die Kombination aus fehlendem Optimismus, steigendem Leistungsdruck und einer unterentwickelten Kultur des Scheiterns ist aus Sicht vieler heimischer Führungskräfte ein Nährboden für Bilanztricks“, resümiert Andreas Frohner von Ernst & Young.

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red/czaak, Economy Ausgabe 999999, 22.05.2015