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28. März 2024

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„Es braucht einen neuen Schulterschluss.“

„Es braucht einen neuen Schulterschluss.“© Michaela Czaak

Economyaustria wurde 1999 zur Förderung von Innovation in KMU und Industrie gegründet. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums erschien im KURIER das nachfolgende Interview mit Christian Czaak, Gründer und Herausgeber der Plattform.

Was war die Initialzündung zur Plattform-Gründung?
Christian Czaak: Eine WU-Studie unter den Top-500 zum Thema Digitalisierung. 62 Prozent der Betriebe meinten damals, das Thema werde sie nicht betreffen.
Das damalige Wirtschaftsministerium schrieb dann eine B2B-Plattform aus und mein Konsortium aus IT-Industrie, Wissenschaft und Medien setzte sich mit einem innovativen Konzept durch.

Was war die Innovation?
Der Fokus auf Best Practice Beispiele, wo branchenübergreifende Unternehmen ihre eigenen Erfahrungswerte berichten und Technologie entsprechend kritisch und praxisorientiert erläutert wird.
Und die Kombination aus einer der ersten interaktiven Webplattformen mit verschiedenen Veranstaltungsformaten und Medienpartnern, um die Betriebe direkt zu vernetzen und dafür auch eine breite Öffentlichkeit zu schaffen.

Das Konzept wurde auch von der EU übernommen ...
... und aus 162 europäischen IKT-Initiativen als eu-weites Vorzeigeprojekt ausgezeichnet.

Welche Meilensteine gab es noch?
Die Erweiterung der Plattform um Forschung und Innovationsförderung mit den ersten Programmlinien der Kompetenzzentren von Bund und Ländern.
Parallel haben wir die ersten E-Business-Staatspreise initiiert, mit dem at.award den ersten IT-Start-Up Wettbewerb veranstaltet und mit Cyberschool den ersten Internet-Schulbewerb für gemeinsame Webprojekte von Schülern und Unternehmen.
Dazu den ersten Technologiepark in der Messe Wien im Rahmen der von uns ebenso mitbegründeten b2b-Messe „ITnT“.
Hier präsentierten FE-Zentren, IT-Industrie und Unternehmen die systemimmanent abstrakten Themen Innovation und Transformation erstmals live erlebbar und entsprechend praxiskonform greifbar.

Das Thema Transformation hat dann Ihre Plattform auch selbst betroffen…
… primär in verlegerischer Form. Von 2005 weg haben wir neben der Webplattform auch 30.000 Stück einer eigenen gedruckten Wochenzeitung österreichweit publiziert.
Als älterer Printmedienmensch mit Wurzeln im qualitativen Zeitungssegment war das primär einmal ein persönliches Animo. Dazu kam die inhaltliche Herausforderung diese abstrakten Themen nicht nur verständlich zu transkribieren, sondern damit auch informatives Lesevergnügen zu bieten.
Wir sind ja nicht als Fachzeitschrift angetreten, sondern als breiteres Publikumsmedium. Lange magazinähnliche Lesetexte zu technokratischen Themen auf Tageszeitungspapier in einem Hochglanzmantel. Auch das war gelebte Innovation …

… die dann aber 2011 wieder eingestellt wurde …
… 2005 war die Hochblüte der New Economy mit entsprechenden klassischen Werbeauftritten. Hinzu kam der neu entstandene Kommunikationsbedarf vieler österreichweit neuer Forschungs- und Förderinstitutionen, die wir mehrheitlich von Beginn weg begleitet haben.
Und IT-Unternehmen wie SAP oder IBM, Telkos wie Kapsch, Telekom Austria und Alcatel, die Mobilfunker oder auch eine Siemens und Voest haben großformatige Imageanzeigen geschaltet. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Dann kam 2008 die Finanzkrise mit völlig irrationalen Auswirkungen auch die breite Wirtschaft betreffend und der Beginn der massiven Einbrüche im klassischen Werbegeschäft.
Als neues Nischenmedium hat uns das besonders schnell getroffen und so transformierten wir 2011 wieder retour zur reinen Internetplattform.
Wir nutzten aber die vorhandenen inhaltlichen Ressourcen zum Aufbau neuer Ressorts und die parallele Trendwende in Richtung Onlinewerbeformen zur Etablierung des heutigen Internetmagazins für Wirtschaft und Bildung.

Lassen sich all diese Meilensteine und Maßnahmen auch in Zahlen messen?
Aktuell haben wir rund 52.000 Unternehmenslenker und zukünftige Entscheider als Community-Mitglieder der Plattform, unsere Social-Media-Kanäle eingerechnet.
Bezüglich der eingangs erwähnten Best-Practice-Beispiele haben wir in Summe rund 6.000 Innovationsprojekte aus allen Branchen transportiert. Rund 34.000 Unternehmenslenker waren österreichweit bei über 150 Veranstaltungsformaten.
1.800 betriebliche Webprojekte sind gemeinsam von Schülern und Betrieben umgesetzt worden und das Konzept wurde von Bund und Ländern für weitere Jugendprojekte übernommen.
Dazu knapp 300 mir bekannte neue Projekte direkt für meine IT-Partner, von Webshops und Firmennetzwerken über Cloud und Outsourcing bis Beschaffungsplattformen für Konzerne oder IoT-Lösungen.
Zuletzt haben wir als Erste mit Video-Referenzen begonnen, seither knapp 100 Berichte gedreht, die über alle unsere Kanäle wiederum rund 28.000 Unternehmer oder Entscheider gesehen und hoffentlich auch betrieblich verwertet haben.

Gibt es auch standortpolitische Ergebnisse?
Wir haben das abstrakte Thema Innovation greifbar gemacht, FE- und IT-Markt Notwendigkeit und Werkzeuge für eine praxisorientierte Ansprache von Unternehmen vermittelt und über die Öffentlichkeitsarbeit sicher auch einen relevanten Multiplikatoreffekt erzeugt.
Im Vergleich zu 1999 steht heute die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung dieser Themen außer Frage.

Wie hat sich der betriebliche IT-Einsatz entwickelt?
Früher wurde IT mit einem im Keller befindlichen EDV-Kammerl und fremdartig sprechenden Menschen verbunden.
Seitens der IT-Industrie stand primär das mit englischen Kürzeln unterlegte technologisch Machbare im Vordergrund und das war für technologieferne Unternehmenslenker eine Hemmschwelle.
Mit der Zeit orientierte sich die IT am betrieblichen Nutzen und am Anwender und parallel entwickelte sich Innovation und Technologie zu einer übergreifenden Querschnittsmaterie.

Was ist der aktuelle Stand?
Digitale Transformation ist für Unternehmen jeder Branche und Größenordnung überlebensentscheidend. Innovative Technologien ermöglichen rasch, dass Kleine die Größen fressen oder Neue die Alten.
Besonders spannend sind branchenübergreifende Projekte mit der Entwicklung komplett neuer Geschäftsmodelle.

Können Sie Beispiele nennen?
Kapsch BusinessCom und Sedus, die gemeinsam intelligente Büromöbel und Raumkonzepte entwickeln. T-Systems und Quehenberger mit automatisierter Steuerung und Nachverfolgung heikler Logistikströme. Das sind neue digitale Lösungen für einen branchenübergreifenden Weltmarkt.
Oder die Fintechs Wirecard und Klarna, die primär dem Handel mit länderübergreifenden Bezahllösungen ebenso internationale Märkte eröffnen.

Wie sehen Sie die aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen?
Ambivalent. Wöchentlich teilweise idente Förderprogramme zu unverständlich kommunizierten Tech-Themen mit mickrigen Volumina sind unübersichtliches Stückwerk und erfreuen bestenfalls die damit immer verknüpfte IT-Beratersparte.
Forschungsprogrammlinien wie etwa Comet sind immer noch zu sehr an großen Industriebetrieben orientiert. Im Vergleich zu KMU haben die zumeist schon eine eigene Forschungsabteilung und brauchen da nicht noch zusätzlich andocken.
Positiv ist die Entwicklung bei den länderspezifischen Innovations-Förderprogrammen, bei den Gründungsinitiativen und bei den Clustern.
Und ganz toll entwickelt sich das damals so angefeindete ISTA in Klosterneuburg mit monatlich tausenden Bewerbungen weltweiter Spitzenforscher oder das mit dem CERN verbundene MedAustron in Wiener Neustadt. Das ist zukunftsfähige Standortpolitik und weltweites Marketing für Österreich.

Was wäre noch nötig?
Eine noch stärkere Orientierung an kleinen und mittelständischen Betrieben, die eben noch keine eigene FE-Abteilung haben und ein Abbau vorhandener Hemmschwellen Technologie und Innovation betreffend über adäquate Kommunikationsformen.
Es braucht generell einen neuen Schulterschluss von Politik, der mehrheitlich bereits hochinnovativen Industrie und Forschungszentren für einen nachhaltigen Digital-Transfer zu diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Ähnlich der laufenden und wichtigen Initiative von Bundeskanzleramt und Medienminister für eine gemeinsame Plattform im Medienbereich.

Nächste Woche ist Weihnachten. Wünsche an das Christkind?
Gesundheit. Und Ressourcen für eine nachhaltige Internationalisierung von economyaustria als Schnittstelle für länderübergreifende Kooperationen zwischen Wirtschaft, Forschung und Bildung.
Und als ganz großen Wunsch eine primär unternehmerische Antwort auf die imperialistischen und entsprechend wirtschafts- und demokratiegefährdenden Raubritter der großen US-Techcompanies und Social-Media-Konzerne.
Das hat man unfassbarerweise viel zu lange völlig unterschätzt und tut es teilweise immer noch.
Hier braucht es rasch einen länderübergreifenden Schulterschluss. Auf verlegerisch-unternehmerischer Ebene und auch ohne EU. Die neue österreichische Medienplattform kann und sollte ein Beginn sein. Das ist standortentscheidend.

(Anm. der Redaktion: Wir danken dem KURIER für die Genehmigung zur Veröffentlichung des Interviews. Die jetzige Version ist die ungekürzte Langfassung.)

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 21.12.2018