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27. September 2024

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Effizienz garantiert nicht immer Produktivitätssteigerung

Effizienz garantiert nicht immer ProduktivitätssteigerungAIT

“Social Physics” als Grundlage für „Social Media“.

Ein Gastkommentar von Helmut Leopold. Alex (Sandy) Pentland vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) erforschte im Kontext von “Big Data” Zusammenarbeitsprinzipien im beruflichen Alltag. Er analysierte das Verhalten und die Kommunikationspraxis von Mitarbeitern untereinander, indem er E-Mail-Kommunikation, Verhalten bei Telefongesprächen und auch die sonstige zwischenmenschliche Kommunikation studierte. Durch eine spezielle Technik wurde dabei festgehalten, welche Stimmlage für ein Gespräch verwendet wurde und auch, ob man sich durch ein Face-to-face-Gespräch oder durch ein Telefonat mitteilte.

Effizienstreben senkt Produktivität
Pentland gab diese Kennzeichnungen („Badges“) unterschiedlichen Arbeitsteams und analysierte dann deren Produktivität. Dabei fand er rasch heraus, dass in Teams, in denen das übliche durch das Management gesteuerte Effizienzstreben auf die Spitze getrieben wurde, die Produktivität erheblich sank. Sogar bei sehr routinehaften Aufgaben, wie etwa in einem Call-Center, war jenes Team am produktivsten, welches das höchste soziale Miteinander pflegte und genau das tat, was Manager üblicherweise von ihren Mitarbeitern nicht wollen: miteinander sprechen.
Jene Teams, in denen sogar die Pausen reglementiert wurden, also die grundlegenden Innovationsmechanismen wie einfacher ungeplanter Austausch von Informationen („Liquid Networks“, „Noise und Error“) als auch der Faktor „Zufall“ unterdrückt wurden, verzeichneten eine wesentlich schlechtere Produktivität.
Konkret wurden 80 Angestellte eines Call Centers der Bank of America, unterteilt in vier Teams mit je 20 Personen, sechs Wochen lang mit soziometrischen Badges beobachtet. Die höchste Produktivität in der Bearbeitung der Kundenanfragen konnte jenes Team verbuchen, welches die intensivsten sozialen Kontakte in der Gruppe pflegte.
Daher schlug Pentland dem Management der Bank vor, für die Teams jeweils gemeinsame Pausen einzuführen. Die Verbesserung in der raschen Abarbeitung von Anrufen durch nur diese kleine Maßnahme war so dramatisch, dass die Bank of America diese Praxis in all ihren Call Centern einführte.

Nonverbale Zwischentöne
Eine der großen Entdeckungen seiner Untersuchung (von ihm auch „soziale Physik“ genannt) war, dass am Arbeitsplatz die Qualität der sozialen Interaktion unabhängig vom verbalen Inhalt gemessen werden kann. Pentland stellte fest, dass Form und Inhalt von Interaktionen von ebenbürtiger Bedeutung sind. Er identifizierte durch seine Untersuchungen, dass wir in sozialer Kommunikation viele verschiedene non-verbale „Zwischentöne“ verwenden, die eine Kommunikation enorm beeinflussen.
Pentland nennt diese non-verbalen Signale „Honest Signals“. Seiner Auffassung nach ist jede Kommunikation am Arbeitsplatz eine immerwährende wechselseitige Abklärung der sozialen Rollen. Die Analyse von soziometrischen Datenflüssen einer Konversation, also die Interpretation von eingesetzten non-verbalen und meta-verbalen Kommunikationsformen (Blicke, Gesten, Unterbrechungen, Sprecher-Rezipienten-Wechsel) erlaubt die Zuschreibung von Hierarchien und funktionalen Rollen, ohne auf die Inhalte achten zu müssen.

Face-to-face ermöglicht dauerhaftes Vertrauen
Die zweite große Erkenntnis seiner Untersuchungen betrifft die Qualität von Verabredungen („Committment“) am Arbeitsplatz. Keine noch so intensive E-Mail-Kommunikation kann das leisten, wozu eine Face-to-face-Begegnung imstande ist, weil zu viele Signale ausgeschlossen bleiben. Erst „Engagement“, das Zusammentreffen von Arbeitskollegen, ermöglicht jenes dauerhafte Vertrauen („Trust“), welches Produktivität und den Fluss von Ideen ermöglicht. Und dieses Muster lässt sich auf viele unterschiedliche Arbeitskontexte anwenden.
Alex Pentland bezeichnet diese grundlegenden Mechanismen als „Social Physics” und identifiziert dabei einen der wesentlichen Aspekte für unsere Zusammenarbeit im „Always on interconnected Cyber Space“.
Georg Holzer, CEO des Start-ups xamoom.com betont in einem Beitrag die Wichtigkeit der neuen Sozialen Medien für den Bereich Marketing, Produktentwicklung und direkte Kommunikation mit dem End-Kunden, verweist aber auch darauf, dass soziale Netzwerke in der internen Kommunikation von Firmen ihre Spuren hinterlassen. „Kommunikation in Unternehmen wird schneller, zweckgebundener und bei Bedarf oder Zweckmäßigkeit auch öffentlicher,“ so Holzer.
Wir alle sind nun damit konfrontiert, Regeln und Rahmenbedingungen für den Einsatz dieser neuen Technologien in unseren Unternehmen, aber auch in der Gesellschaft, zu gestalten. David Oberlacher, Kommunikationsexperte, unterstreicht, dass Social Media eine wichtige Rolle in der internen Kommunikation spielen, da durch die erhöhte Informationstransparenz auch die Motivation der Mitarbeiter gesteigert werden kann. Er räumt aber auch ein, dass Social Media nicht die persönliche Kommunikation ersetzen kann, sondern diese ergänzt und unterstützt.

(Helmut Leopold ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Informations- und Kommunikationstechnik im Verband für Elektrotechnik sowie Head of Safety and Security Department am Austrian Institute of Technology/AIT; zuvor war er langjähriger Forschungs- und Entwicklungschef der Telekom Austria und in dieser Funktion 1999 auch Gründungsmitglied der Plattform economyaustria.)

Links

red/czaak, Economy Ausgabe 999999, 11.05.2015