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24. April 2024

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Gezielte Schmerzblockade

Gezielte Schmerzblockade© piqs.de/canonier

Wegen der hohen Zahl der Betroffenen wird eifrig beforscht, welche Mechanismen dazu führen, dass der Körper Schmerzreize speichert.

Schmerz ist ein wichtiges Schutzsystem des Körpers. Wenn er allerdings chronisch wird, hat er jegliche sinnvolle Funktion verloren. Es kommt zu einem sogenannten Schmerzgedächtnis. Dabei werden die Schmerzen zu einer eigenständigen Erkrankung und entkoppeln sich vom ursprünglichen Auslöser.
Die Neurophysiologin Ruth Drdla-Schutting von der Medizinischen Universität Wien untersucht die zellulären Vorgänge des zentralen Nervensystems dort, wo sich der Schmerz manifestiert. Konkret beschäftigt sich Drdla-Schutting mit der Rolle der Astrozyten im Zentralnervensystem.
An den Kontaktstellen von Nervenzellen im Rückenmark findet die synaptische Langzeitpotenzierung (LTP) statt. „Lange Zeit hat man sich bei der Erforschung der LTP nur auf Nervenzellen konzentriert“, erklärt Drdla-Schutting. „Wir wissen aber, dass auch Astrozyten eine Rolle spielen.“ Noch ist wenig bekannt, welche. „Das liegt vor allem daran, dass uns die Werkzeuge fehlen, diese Zellen selektiv zu blockieren oder zu aktivieren.“

Weniger Nebenwirkungen
Im Tierversuch konnten mit hochdosierten Zellblockern chronische Schmerzen teilweise rückgängig gemacht werden. Ruth Drdla-Schutting arbeitet nun daran, Astrozyten gezielt anzugreifen, sprich bei chronischem Schmerz nur diesen Zelltyp zu blockieren. Dadurch sollen bessere Ergebnisse mit weniger Nebenwirkungen erzielt werden.
In Paris hat Drdla-Schutting die genetisch veränderter Rezeptoren, die als Sensoren auf der Oberfläche von Zellen sitzen und Signale in das Zellinnere weiterleiten, etabliert. Diese veränderten Rezeptoren funktionieren wie die natürlichen, allerdings mit dem Unterschied, dass sie durch körpereigene Substanzen nicht mehr aktiviert werden können. Stattdessen wird eine Substanz zugeführt, die die Rezeptoren ganz gezielt aktiviert. Nun untersucht Drdla-Schutting, wie sich der Einsatz dieser sogenannten DREADDs auf das Schmerzgedächtnis auswirkt. Erste Untersuchungen laufen gerade am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien.
Bisher werden die DREADDs nur in der Grundlagenforschung eingesetzt. Die Wissenschafter hoffen, diese Rezeptoren nicht nur gegen chronischen Schmerz. sondern auch gegen Krankheiten wie Epilepsie, Parkinson oder Diabetes einsetzen zu können.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 29.04.2016