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25. April 2024

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Einzelkind? Premiumkind.

Einzelkind? Premiumkind.piqs.de/cia

Eltern sollten wieder ihrer Intuition vertrauen – und nicht zu viel Leistungsdruck ausüben.

„Zwei Drittel der Eltern erziehen bodenständig und vernünftig. Aber vom restlichen Drittel kümmert sich die eine Hälfte um nichts, und die andere Hälfte um alles“, erklärte Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes und Autor des Buches „Helikopter-Eltern. Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“ bei einem vom Wissenschaftsministerium veranstalteten „Science Talk“ in Wien.

Medial verbereiteter Alarmismus

Die Einstellung zum Kind habe sich massiv geändert. „Wer nur ein Kind hat, will ein Premium-Kind. Da wird alles reingesteckt“, so Kraus. Er verweist auf Eltern, „die die Kinder den 800 Meter langen Weg durch die verkehrsberuhigte Zone mit dem SUV in die Schule bringen und jede Note anfechten.“ Übertriebene Überwachung und Verwöhnung verhindere aber, dass Kinder mündig und selbstständig würden.
Inzwischen gebe es auch sogenannte Drohnen-Eltern, die fordern, dass in der Kindergartengruppe Webcams eingebaut würden, um auch am Arbeitsplatz die Kinder im Blick zu haben. Mitschuld an diesen Entwicklungen seien die Medien und ein weitverbreiteter Alarmismus. So werde der Mittelschicht vermittelt, dass es ohne Matura keine Chance am Arbeitsmarkt gebe“, sagte der Autor.

Mittelweg
Gegen Extreme sprach sich auch Wolfgang Mazal, Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF), aus. Er plädierte für einen Mittelweg zwischen Normierung und Freiheit. Und Mazal verwies auch auf eine noch laufende Studie, die zeige, dass ein intuitiver Zugang zur Erziehung anzuraten sei. Dem würden aber „die Verwissenschaftlichung aller Gesellschaftsprozesse und die industrielle Perfektionierung – man denke an nicht perfekte Äpfel“ entgegenstehen.
Er forderte außerdem, auch andere Erziehungsmodelle zu akzeptieren. „In Österreich denken 50 Prozent, dass berufstätige Frauen Rabenmütter sind, die andere Hälfte hält zu Hause bleibende Frauen für altmodisch“, erklärte Mazal. Damit habe man es geschafft, beide Lebensmuster madig zu machen.
Eltern sollten „gut genug“ als das neue „perfekt“ betrachten, auch um ihren Kindern ein Vorbild zu sein, ergänzte Katharina Weiner, Leiterin des Elternbildungsprojekts familylab in Österreich. Sonst würde der ökonomische Druck direkt an die Kinder weitergegeben. „Wenn man Volksschülern vermittelt, dass ein Dreier im Zeugnis den Weg zum Gymnasium unmöglich macht, man dann einen schlechten Job annehmen muss und so garantiert unglücklich wird, gibt es keine Gelassenheit mehr.“

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APA-Science/red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 02.02.2016