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24. April 2024

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Debatte über Privatheit und Öffentlichkeit im Informationszeitalter

Debatte über Privatheit und Öffentlichkeit im Informationszeitaltereconomy/screenshot

Laut einer aktuellen eco-Umfrage sehen die Hälfte der Befragten die Entscheidungshoheit über Löschanträge bei öffentlicher Behörde (36%) oder Gericht (11%) und eine Richterrolle für Suchmaschinenbetreiber entsprechend problematisch.

Jahr eins nach EuGH-Entscheid
Fast ein Jahr nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum sogenannten „Recht auf Vergessen“ hält die Mehrheit der Internetnutzer das Urteil für richtig. Das EuGH-Urteil vom 13. Mai 2015 verpflichtet Suchmaschinenbetreiber dazu Links und Verweise auf personenbezogene Inhalte auf Wunsch der betroffenen Person aus dem Suchindex zu entfernen.
Rund 20 Prozent sehen allerdings auch die Gefahr möglicher negativer Auswirkungen auf die Informations- und Meinungsfreiheit im Internet, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag von eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. durchgeführt hat.

Richterrolle für Suchmaschinenbetreiber problematisch
Nicht einverstanden sind demnach die meisten Nutzer mit der Rolle, die der EuGH den Suchmaschinenbetreibern zugeteilt hat. Rund 50 Prozent der Befragten denken, dass besser eine öffentliche Behörde (36%) oder ein Gericht (11%) die Abwägung zwischen dem Recht auf Privatheit und dem Interesse der Öffentlichkeit an umfassender Information und damit letztlich die Entscheidung über die Löschung eines Links treffen sollte.
„Der EuGH hat mit seinem Urteil zum Recht auf Vergessenwerden die Suchmaschinenbetreiber in eine Art Richterrolle bei Auseinandersetzungen über Inhalte im Netz gedrängt“, kritisiert Oliver Süme, eco Vorstand Politik & Recht. „Dies wirft nicht nur grundsätzliche Fragen hinsichtlich der Rechtsdurchsetzung im Netz auf, sondern widerspricht auch den grundlegenden Haftungsprivilegien der E-Commerce-Richtlinie,“ so Süme weiter.

Umfassende Grundsatzdebatte nötig
Besonders bemerkenswert an dieser Entscheidung sei laut eco, dass der Inhalt, auf den die Suchmaschine nicht mehr verlinken darf, ein "rechtmäßiger" Inhalt ist. Das heißt die Information selbst bleibe weiterhin im Netz. „Diese Trennung der Rechtmäßigkeit einer Äußerung von der Rechtmäßigkeit des Zugänglichmachens dieser Äußerung ist gerade aufgrund der besonderen Rolle von Suchmaschinen bei der Informationsbeschaffung im Internet problematisch“, sagt Süme weiter.
Das Urteil und seine Bedeutung für das Internet und die digitale Wissensgesellschaft sei so fundamental, dass es eine grundsätzliche Debatte über das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit im Informationszeitalter sowie die Verantwortung von Informationsvermittlern erforderlich mache.
Aus Sicht der Internetwirtschaft gibt es noch viele offene Fragen zur Ausgestaltung des Urteils und zur Rolle von Intermediären wie zum Beispiel Suchmaschinenbetreiber. Auch die noch schwer absehbaren Folgen für die Informations- und Meinungsfreiheit im Internet müssen weiter diskutiert werden.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe 999999, 17.04.2015