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29. März 2024

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Ruhig und scharf in der Hochseilbahn

Ruhig und scharf in der HochseilbahnDynamic Services

TU Wien und Dynamic Perspective entwickeln elektronisch gesteuertes Kamera-Aufhängungssystem für wackelfreie Videos in Extremsituationen.

Ein verwacklungsfreies Video aus einer Hochschaubahn wäre bisher kaum denkbar gewesen, mit dem nun von TU Wien und der Firma Dynamic Perspective entwickeltem Kamera-Aufhängungssystem ist das machbar.
Ein Kamera-Gimbal mit fünf Rotationsachsen und aufwändiger Regelungstechnik gleicht Wackelbewegungen so präzise aus, dass sogar von ferngesteuerten Fluggeräten aus in bester Qualität gefilmt werden kann. Damit eröffnen sich etwa auch für Live-Übertragungen oder Sport-Events ganz neue Perspektiven.

Schlau statt schwer
„Die einfachste Möglichkeit, Verwackelungen zu bekämpfen, ist ein möglichst schweres Kamerasystem zu bauen“, erklärt Alexander Schirrer vom Institut für Mechanik und Mechatronik der TU Wien. Eine schwere Kamera ist so träge, dass sie von kleineren Erschütterungen nicht beeinflusst wird.
Doch wenn die Kamera auf ein Fluggerät gepackt werden soll, dann muss man mit möglichst wenig Gewicht auskommen. Das neuentwickelte System wiegt samt Kamera knapp zwanzig Kilo. Eine Last, die für ein kleines Fluggerät gut transportabel ist. Andere Kamerasysteme kommen auf bis zu hundert Kilo.
Zwei Jahre lang haben die TU Wien und Dynamic Perspective an einer neuartigen Hochleistungs-Regelung für eine aktive Kamerastabilisierung gearbeitet. Eine spezielle kardanische Aufhängung wurde entwickelt, ein sogenanntes Gimbal. Trotzdem drei Rotationsachsen ausreichen, um eine Kamera beliebig im Raum zu drehen, wurden zwei weitere Achsen hinzugefügt, um in kurzer Zeit besonders feine Präzisionskorrekturen vornehmen zu können.

Tausende Messungen pro Sekunde

Entscheidend sei aber nicht bloß die mechanische Aufhängung, sondern in erster Linie die Regelungstechnik: Mehrere tausend Mal in der Sekunde wird von Sensoren die Position der Kamera gemessen, innerhalb von wenigen hundert Mikrosekunden müssen die einprogrammierten regelungstechnischen Algorithmen die richtigen Korrekturbewegungen berechnen, die dann von elektromechanischen Aktoren umgesetzt werden.
„Dafür waren zunächst umfangreiche Computersimulationen nötig, dann konnten wir unsere Regelungstechnik mit Gyrokoptern in der Praxis testen. Wir erschließen damit einen Qualitätsbereich, den in diesem Anwendungssegment bisher noch niemand erreicht hat,“ betont TU-Experte Schirrer.
„Mit bis zu 70% Gewichtsersparnis im Vergleich zu existierenden Systemen ist unser Gimbal der erste, der auf Ultra-Leicht Fluggeräten und Drohnen eingesetzt werden kann - zusätzlich zu den herkömmlichen Einsatzbereichen wie Helikoptern, Kränen, Autos und Booten“, erläutert Peter Morawitz von Dynamic Perspective.

Eine neue Qualitätsstufe bei Sportaufnahmen

Das neue fliegende Kamerasystem ist laut den Entwicklern vorab in erster Linie für Sportaufnahmen gedacht. Im Gegensatz zum Kinofilm sind bei Sportaufnahmen weder 3D-Animationen noch langwierige Nachbearbeitungsschritte am Computer möglich.
„Das Filmmaterial muss bereits in perfekter Qualität aus der Kamera kommen und live gesendet werden können – und genau diese Möglichkeit wird durch unser System nun geschaffen“, sagt Schirrer. Auch für präzise wissenschaftliche Messungen könnte man das neue Kamerasystem verwenden, etwa in der Geoinformation.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe 999999, 17.07.2015