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20. April 2024

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Räuber fördern Gemeinschaftssinn

Räuber fördern Gemeinschaftssinn© piqs.de/wolfjork

Die Rolle des Raubdrucks für die soziale Evolution wurde bislang stark unterschätzt.

Die Arbeitsteilung ist nicht nur dem Menschen bekannt. Es gibt sie auch bei Buntbarschen: Die kleinen Fische graben eine Bruthöhle und Verstecke, die großen verteidigen die Gruppe. Für die Evolution eines so komplexen Sozialverhaltens ist der Druck durch Raubfische und Konkurrenten verantwortlich, berichtet der Österreicher Michael Taborsky von der Universität Bern mit Kollegen im Fachjournal "Pnas".

Dominante Individuen
Die Forscher haben am Südende des Tanganjikasee in Sambia bei acht Gruppen von Buntbarschen die Gruppenstrukturen und soziale Rollenverteilung studiert. Die Jungfische verlassen oft nicht ihr heimatliches Territorium, sondern verdingen sich als Bruthelfer für ein dominantes Pärchen, das sich als einziges fortpflanzt. Sie ziehen dessen Junge auf, graben schützende Verstecke und Bruthöhlen, und verteidigen die Gruppe, die bis etwa 30 Individuen zählen kann.
Solche ein Sozialverhalten wird bei vielen Arten damit erklärt, dass die Tiere die Weitergabe von Teilen ihres eigenen Erbguts fördern, weil die dominanten Individuen ihre Geschwister oder Eltern sind. „In diesem Fall spielen Verwandtschaftsverhältnisse aber kaum eine Rolle“, sagt Taborsky, der am Institut für Ökologie und Evolution der Uni Bern forscht.

Helfer müssen spuren
Einerseits bringt die hohe Sterblichkeit oft den Wechsel des dominanten Paares mit sich, andererseits wechseln die Helfer immer wieder die Gruppe, etwa weil sie anderswo weniger Arbeit leisten müssen oder eher die Chance sehen, einmal zum Anführer aufzusteigen.
Damit die Helfer in der Gruppe bleiben dürfen, müssen sie Arbeit leisten, die die dominanten Fische ihnen abverlangen. „Das läuft über ständige Aggression gegen sie, wenn die Helfer nicht ordentlich spuren“, so der Forscher. Doch im Angesicht der Konkurrenten und Räuber bleibt ihnen keine andere Wahl: „Wenn solch ein Buntbarsch nicht Mitglied in einer Gruppe ist, hat er praktisch keine Überlebenschance.“

Gruppenstruktur
Abhängig vom Raubdruck unterscheiden sich die Gruppenstruktur und das Sozialgefüge der Fische. Denn die kleinen Helfer sind bei großem Raubdruck die ersten Opfer. Umgekehrt verhält es sich bei den großen Fischen: Je mehr Räuber in der Gegend sind, umso eher bleiben sie bei dem dominanten Brutpaar. Denn in diesem Fall haben sie nur sehr geringe Chancen außerhalb der Gruppe zu überleben.
Der Raubdruck wurde auch bisher schon als wichtiger Auslöser für Gruppenbildung angesehen, denn die einzelnen Mitglieder profitieren vom Schutz der Gruppe. Mit der Komplexität sozialer Strukturen hat man ihn jedoch noch nicht in Verbindung gebracht. Daher ist seine Rolle für den Übergang von einfachen zu höheren Sozialstrukturen in der sozialen Evolution stark unterschätzt worden.

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APA-Science/red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 12.04.2016