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16. April 2024

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Ham‘s a Parteibüchl?

Ham‘s a Parteibüchl?© piqs.de/connor

Bei der Besetzung von Führungspositionen in unabhängigen Regulierungsbehörden spielt das Parteibuch eine wichtige Rolle und das gilt in Österreich wie auch europaweit.

Telekommunikation, Energieversorgung und öffentlicher Verkehr sind drei typische staatliche Monopole, die in den letzten 20 Jahren im Rahmen der Liberalisierung von Märkten vielerorts privatisiert wurden. Die Steuerungsfunktion des Staates übernahmen unabhängige Regulierungsbehörden. Die Unabhängigkeit dieser Regulierungsbehörden wurde nun europaweit analysiert.
Ergebnis: Regierungen nahmen den Verlust an Steuerungsmöglichkeiten nicht einfach hin, sondern sie suchten nach alternativen Wegen der Einflussnahme. So kamen bei der Besetzung von Spitzenpositionen in diesen Regulierungsbehörden häufig parteinahe Kandidaten zum Zug.
„Als gelernter Österreicher kennt man das Phänomen, es gab jedoch bis jetzt kaum solide empirische Forschung dazu“, stellt der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien fest. Die Studie wurde für ein Projekt des Wissenschaftsfonds FWF erstellt. Ennser-Jedenastik untersuchte rund 700 Besetzungen zwischen 1996 und 2013 an der Spitze von etwa 100 Regulierungsbehörden in 16 westeuropäischen Ländern.

Unrühmlicher Spitzenplatz
Es zeigte sich, je formal unabhängiger eine Behörde ist, desto höher ist der Anteil an dort tätigem Führungspersonal, das einer Regierungspartei nahesteht. „Es steigt der Anteil der ernannten Spitzenfunktionäre mit Verbindung zu einer Regierungspartei von 14 Prozent in den Behörden mit der geringsten formalen Unabhängigkeit auf 35 Prozent in jenen mit der höchsten formalen Unabhängigkeit. Kurz gesagt: Die formale Unabhängigkeit von Regulierungsbehörden macht diese anfälliger für Politisierung“, erklärt Ennser-Jedenastik.
Österreich nimmt eine Spitzenposition bei der Berufung von parteinahen Personen in Führungsämter ein. In 9 von 18 untersuchten Fällen wurde im Untersuchungszeitraum parteinah besetzt. „Ein Beispiel ist der Jurist Theodor Thanner, Mitarbeiter vieler ÖVP-Minister, der an die Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde berufen wurde. Oder Heinrich Traumüller, ehemaliger Kabinettschef von Karl-Heinz Grasser, der Vorstand bei der Finanzmarktaufsicht FMA wurde.“
Im Europavergleich wären, so der Politologe, Frankreich und Belgien als weitere Länder zu nennen, wo der Anteil an parteinahen Besetzungen hoch liegt. Am anderen Ende der Skala lägen Finnland, Dänemark und Irland mit einem geringen Anteil.

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red/stem, Economy Ausgabe Webartikel, 13.05.2016